IGO Aus clem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums. — 60. Baud. Nr. 6/7.
leiten lassen, aus Bodenbeobachtungen anzunehmen, daß immer ein Anstieg bis zu positiven Temperaturen erfolgen
muß. Es ist sehr wohl der Fall denkbar — und er ist auch in diesem Winter schon vorgekommen —, daß das Kalt
luftkissen zunächst noch erhalten bleibt und die Erwärmung erst in einigen Tagen in Form eines verkappten Kälte
einbruchs erfolgt. In sehr seltenen Fällen kommt es auch vor, daß das Kaltluftkissen ungeachtet der Störungen, die
darüber hinweggehen, erhalten bleibt, und daß die Temperatur nach deni Eisregen sogar wieder sinkt.“
Zum Frühjahr hin machen sich die polarmaritimen Kaltluftvorstöße auch in Mitteleuropa
stärker bemerkbar“), nicht etwa, weil sie dann gegenüber früheren Monaten oder gegenüber
anderen Typen häufiger sind — dies ist allerdings auch der Fall —, sondern wegen ihrer Eigen
schaften im Verhältnis zu den zu dieser Zeit über Mitteleuropa herrschenden Strahlungsbedin
gungen. Der Temperatursprung mit Eintreffen eines NW-KE oder eines Nsk-KE wird jetzt
markant. Konnte der gleiche KE-Typ noch im Februar als maskierter KE auftreten, indem er
mit seiner mildereu Temperatur die kontinentale Kaltluft verdrängte, so kehrt sich mit dem
Monat März das Bild um: sowohl die sinkende Advektivtemperatur der Polarluft wie auch die
steigende Temperatur in den über Mitteleuropa lagernden Luftmassen bewirken den Tempe
raturgegensatz, wie wir ihn in Mitteleuropa am schärfsten im Frühling spüren.
Das Frühjahr gestalten vor allem die NW- und Nsk-KE, während alle kon
tinentalen KE mehr und mehr verschwinden. War es im Herbst vor allen Dingen die Aus
strahlung, die die ersten KE kennzeichnete, so ist es im Frühjahr die Advektion in Verbindung
mit der Ausstrahlung (Alt, 1912). Pollack (1930, S.32f.), der ausführlich auf die synoptische
Genese der Früh- und Spätfröste und ihre klimatische Bedeutung eingeht, schreibt, daß der
Spätfrost der Effekt zweier Größen sei, nämlich der dynamischen und der statischen Abkühlung.
Was die dynamische Abkühlung betrifft, so unterscheidet er sieben verschiedene Wetterlagen
der Advektion kalter Luft, von denen unmittelbar wichtig die Herkunft aus NW, aus N, aus
NO und aus Nordeuropa ist. Allerdings betrachtet P o 11 a c k bei seinen Untersuchungen auch
die Bodenfröste, die den Rahmen unserer Untersuchung sprengen würden. In dem Versuch,
die Fröste auf verschiedene Advektionsriehtungen zurückzuführen, berührt sich Pol lack s mit
unserer Zielsetzung, in der weiteren genetischen Zurückverfolgung gehen die Wege jedoch aus
einander, wie auch schon aus der Vielzahl der Richtungen hervorgeht, die P. für die Entstehung
der mitteleuropäischen Früh- und Spätfröste auf stellt. In einem anderen methodischen Punkte
kommt P. unserer Arbeitsweise wieder näher, wenn er (S. 65) sagt: „Ein Frost ist dann als
regional anzusprechen, wenn er sich durch mehrere meteorologische Stationen einer Landschaft
belegen läßt.“ Um so eher dürfen daher seine für Mitteleuropa gewonnenen Ergebnisse von
uns herangezogen werden. Beachtenswert ist bei der Behandlung der Spätfröste vor allem die
Feststellung, die sich auch mit der unsrigen deckt, daß (S. 34) „unter den Kälteeinbrüchen zahlen
mäßig der aus NO an erster Stelle steht, so ist es erklärlich, daß der Osten Norddeutschlands
öfter vertröstet ist als der Westen." Dies würde bedeuten, in unsere Klassifikation übersetzt,
daß sie auf Nsk zurückzuführen seien.
Der April ist der Monat, in clem sich das Ringen zwischen Winter und
Sommer am deutlichsten wiederspiegelt. Er umfaßt noch eine stattliche Zahl von
KE-Typen. wenn auch die kontinentalen am Verschwinden sind, aber das ist weniger bedeut
sam als vielmehr die Kälte der maritimpolaren Kaltluft. So kommt es, daß er der einzige Monat
ist, in dem sowohl Eistage, wie Frosttage und Sommertage auftreten können.
Eine Benachteiligung des östlichen Teiles von Mitteleuropa ergibt sich zwar cler Gesamt
zahl der KE nach im Frühjahr nicht; aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die in
Nordwestdeutschland auftretenden NW-KE feuchter sind und daher einen höheren Taupunkt
besitzen als die mit Nsk-KE eintreffenden Polarluftmassen aus Nordeuropa, die den Osten
Mitteleuropas vornehmlich betreffen. Außerdem beeinflussen Schneedecke und kontinentale
Kaltluft den Osten Mitteleuropas länger als clen Westen, wodurch sich ein längeres Herab
drücken des Kollektivmittels gegenüber dem Westen ergibt. Allerdings vollzieht sich nach
Beendigung der wärmeverbrauchenden Schneeschmelze der Anstieg im Bereiche des sich er
wärmenden Festlandes rasch. Darum ist die Wirkung der Spätfröste je nach der Zeit des Auf-
:,;i ) ln milden Wintern auch im Hochwinter (D e f u » t, 1916 (a|).