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Joachim B J ii t )i g c n : Geographie- der winterlichen Kaltlnfteinbrüdie in Europa.
In noch selteneren Pallen erreichen die KE das Festland. Sie gehören zwar, wie später
noch zu zeigen sein wird, zeitweise zum Charakter der Jahreszeit (vgl. Kapitel D5). prozentual
machen sie jedoch nur einen Bruchteil aller von Island ausgehenden NW-KE aus. wie wir zum
Schluß d ieses Unterkapitals noch sehen werden. Etwas günstiger stellt sieh das Verhältnis zu
Island, w enn man ihre Gesamtdauer berücksichtigt: denn die kurzen, nur Island betreffenden
NW-KE. sind in der Regel rasch wieder verdrängt.
Wir haben dafür einen Beleg aus dem Schrifttum: nach E. Di nies (1958 [a|, S. 254—257) sind die bis Mitteleuropa
reichenden NW-VorstöHe von 15 Jahren (1122 — 1056) für die Zeit von April bis Juni, insgesamt 160 Tage, zur Hälfte
auf mehr als vtägige konstante atlantische Hochdruckgebiete zurückzuführen. Diese Konstanz der atlantischen Hoch
druckgebiete, die naturgemäß in dieser Jahreszeit mit KE verbunden sind, ist nach Din ¡es im Frühjahr und Früh
sommer 4- bis 5mal häufiger als die Form beweglicher Hochlagen über dem Atlantik, welche naturgemäß keinen
weitreichenden NW-Vorstoß zur Entwicklung gelangen lassen können. Im übrigen ist die Schwankung der Tage mit
NW-Wetterlagen in Mitteleuropa von Jahr zu Jahr recht bedeutend: sie liegt zwischen 5 und 29 für Din ¡es" Periode
und beträgt im Mittel dieser Jahre 10.7 Tage. Diese Schwankung darf man aber weniger als eine Schwankung des
monsunalen Einströmens von Meeresluft überhaupt betrachten, denn ein solches prägt sich mit gleichem Endeffekt in
den meist sogar häufigeren Polarluftvorstößen über Nordskandinavien ebenso aus, und diese treffen in Mitteleuropa
mit N- bis NO-Winden ein. Bei der Din i es sehen Feststellung der zeitlichen Schwankung der NW-Lagen muß dem
nach meines Erachtens die räumliche Schwankung berücksichtigt werden, welche die Advektionsbilanz des europäischen
Klimahaushaltes ausgleieht.
über Mitteleuropa ist die Wahrscheinlichkeit des Verschleppen« der NW-Luft nicht geringer als in Island (be
zogen auf die Gesamtzahl der jeweils eintreffenden KE aus NW). Die KL trifft denn auch ebensooft mit SW- wie mit
NW-Winden ein. Van Bebber (1901) hat bei seinem Wettertyp I. in den die hier besprochenen NW-Luft-Vorstöße
einzuordnen sind, einige für Mitteleuropa gültige Charakteristika angegeben. Danach besitzt dieser Typ im Winter
nur eine geringe negative Temperatnranomalie, bezeichnend ist nach van Bebber seine große Beharrlichkeit. Die
negativen Abweichungen der Temperatur beim Eintreffen dieses Wettertyps sind in Westdeutschland häufiger als in
Ostdeutschland, in dem, wie wir sehen werden (Kapitel 13 5), die kälteren KE-Typen das Kollektivmittel stärker be
einflussen. Allerdings bedarf die Bemerkung van ßebbers. daß im Winter im Gefolge dieses Typs ausgedehnte
Schneefälle mit nachfolgender Kälteperiode einzutreten pflegen, noch einer genaueren Betrachtung; denn bei den liier
gemeintenNW-Kaltlufteinbriiehen zyklonalen Charakters ist das gar nicht der Fall. Sie bringen nur geringe, schauer-
artige Schnecfälle und keine intensive Frostperiode. Der Typ, den van Bebber mit den ausgedehnten Schneefällen
in Verbindung bringt, ist jedoch antizyklonaler Art, eingelagert in einen im Mittel aus NO kommenden Strom. Ein
selbständiger Hochkern liegt dann bei Schottland bzw. in Siidostrußland, und zwischen beiden Aktionszentren von
mehrtägigem Bestand wandern, zahnradartig ineinandergreifend, Druckzungen von NO nach SW. Sic bringen ab
wechselnd nordwestliche feuchte, über Island und Spitzbergen herumgeholte Meeresluft sowie nordöstliche trockene
Polarluft nach Mitteleuropa. Diese NW-Ströme sind es nun, welche ausgedehnte und ergiebige Schneefälle bedingen
und infolge der uachstoßenden Nordostluft in Frostperioden übergehen. Diesen Wettertyp hatte bereits Tcisserenc
de Bort (1885 (b|) richtig erkannt. Der aktive KE dabei ist der aus NO. der die milde Meeresluft, die hier ausnahms
weise aus NW hereinkommt, abhebt und sich mit ihr mischt. Bei dem echten Kaltluftvorstoß aus NW dagegen, der auf
der Rückseite eines Tiefs bei Schottland — Norwegen unter Einfluß eines westlich, anschließenden Hochdruckkeilcs des
Azorenmaximums nach Mitteleuropa gelangt, treten ganz andere Witterungserscheinnngen auf. die auch das Land
schaftsbild vollkommen anders prägen (vgl. Blii tilgen, 1959). Van Bebber hat demnach hier, verleitet durch
die gleiche Strömungsrichtung, zwei verschiedene Phänomene zusammengefaßt. Es ist dies ein Beweis dafür, daß die
Windrichtung allein noch nichts über den Charakter der von ihr transportierten Luftmassen auszusagen braucht.
Das Mittelmeer sowie den Balkan erreichen die NW-KE (in der von uns gewählten
temperaturmäßigen Einschränkung!) selten (Mistral!), auch die Alpen werden demzufolge nur
selten überschritten. Desgleichen wird Norwegen lediglich im Südwesten gelegentlich gestreift,
aber nie generell überspült (vgl. Kapitel C2c).
War bisher nur von dem Verlauf die Rede, so müssen nun noch die übrigen Eigen
schaften berührt werden, insbesondere die Temperatur Verhältnisse. Von allen KE weisen
die NW-KE nur geringen Frost auf. Derselbe bleibt fast stets auf Island beschränkt, erreicht
die Färöer selten und vollends nie das mitteleuropäische- Festland. Fröste, die im Gefolge der
Nordwestluftvorstöße in England beobachtet werden, erklären sich fast ausnahmslos durch Aus
strahlung innerhalb der zugeführten Kaltluftmasse. Der größte Teil der bis nach Mitteleuropa
reichenden KE aus NW besitzt daher Temperaturen von 0 bis 3°. Von den noch milderen Vor
staffeln sei liier ganz abgesehen. Im Gefolge der NW-KE ist die Temperaturdifferenz zwischen
Island und Mitteleuropa nicht sehr groß, am geringsten (nämlich fast 0) zwischen Schottland und
Mitteleuropa. Aus der Tatsache, daß bei weitreichenden NW-KE die advektiven Frosttempera-
tnren meistens nicht weit über die Färöer hinausragen, darf man nun keineswegs schließen, daß