Martin RodcwaU: Das Dreimasseneck als zyklogenetischer Ort.
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In Abbildung 27, Tafel 5, ist die 24stiindige Temperaturändernng über Nordamerika vor Bildung des
Dreimassenecks, vom 12. bis 13. Januar, l h MGZ, dargestellt. Das große Abkühlungsgebiet von Nord
westkanada bis nach den Ost- und Südstaaten der Union hebt sich deutlich heraus, nur im Lee der Appalachen
infolge föhniger Erwärmung der Luft z. T. noch verdeckt. Solchen Temperatursturz wie hei den extremen
amerikanischen Kältewellen kann man natürlich nicht erwarten, denn dieser kommt durch die Ablösung
warmer Golfluft oder pazifischer Luft über dem Festland zustande, während in unserem Falle nur Polar
luft durch kältere Polarluft ersetjt wird.
Verfolgen wir aber nun einmal die Druckänderungen vom 11. bis 14. Januar 1938! Die Karte der 24-
stündigen Änderung vom 11. bis 12. Januar früh (Tafel 6, Abb. 28) zeigt über dem westlichen Atlantik
recht geringe Änderungen, dagegen fällt über dem amerikanischen Kontinent die Druckwelle ins Auge, deren
Fallgebiet am Michigan-See liegt, während das weit mächtigere Steiggebiet das westliche Gebirgsland von
Neu-Mexiko Ins Nordwestkanada einnimmt. Der steile isallobariselie Gradient östlich vom Felsengebirge
weist auf die rasche Südwärtsverfrachtung der kanadischen Kaltluft hin.
Am nächsten Tage (Tafel 7, Abb. 29) hat sich die amerikanische Druckwelle weiter ostwärts bewegt.
Der Südzipfel des Fallgebiets, am Vortage au der texanischen Golfküste gelegen und auf den Mexikogolf
hinausreichend, ist bis nach dem Seegebiet südlich Kap Hatteras herumgeschwenkt und hat auf diesem Wege
die bis dahin stationär über dem Mexikogolf gelegene Front der Tropikluft nach Norden heraufgeholt.
Gleichzeitig ist die nordwestliche Kaltluftströmung zwischen Druckfall- und Drucksteiggebiet nun nach den
Südoststaaten gerichtet. An dem Dreimasseneck, das sich hieraus ergeben hat, taucht ein kleines geschlossenes
Druckfallgebiet von 10 mb auf.
Die Karte der 24stündigen Druckänderung vom 13. bis 14. Januar früh (Abb. 30, Tafel 8) läßt das
Druckfallgebiet des aus dem Dreimasseneck geborenen Orkans erkennen; es hat ein Zentrum von 6 0 mb
Änderung. Fast könnte es nach dieser Kartenfolge scheinen, als sei dies Fallgebiet mit dem am Vortage
beim Ontario-See gelegenen identisch. Es sei deshalb bemerkt, daß dies keineswegs der Fall ist, sondern daß
sich das Orkan-Fallgebiet 12 Stunden vorher an dein angekreuzten Punkte auf 38°NBr., 68° W Lg.,
befunden hat. Das festländische Druckfallgebiet ist nur in der Isallobaren-Ausbuchtung über Südwestlabrador
abgeschwächt vorhanden, und wir werden später sehen, daß diese Abschwächung des „Mutter“-Druckfall-
gebiets eine regelmäßige Begleiterscheinung der Dreimasseneck-Bildungen ist.
Recht aufschlußreich sind die nach den 24stündigen Änderungen gezeichneten Bahnen der Druck
wellen dieser Tage, die Abbildung 31, Tafel 9, zeigt. Über dem Westen Nordamerikas verlaufen sie von
WNW nach OSO, biegen aber zwischen dem 95. und 85. Meridian nach ONO um, in der Seenregion sogar
nach NO bis N. Über dem westlichen Nordatlantik ist die Zugrichtung anfangs ebenfalls fast von WNW nach
OSO, östlich vom 50. Meridian dann übergehend in WSW >- ONO.
Nehmen wir —gemäß früherem Hinweis — die Bahnen als Ausdruck der Höhenströmung, so sehen wir
die Wirkungsbereiche der verschiedenen (steuernden) Höhendruckgebilde: des Azoren-Hochs und des Great
Basin-Hochs, mehr noch der kanadisch-amerikanischen Höhentiefausbuchtung und der südgrönländischen Höhen
tiefausbuchtung. Beiderseits des Hatteras-Dreimassenecks vom 13. Januar ergibt die Analogie zu den Druck
wellenbahnen dann zwanglos die Höhenströmung, die in Abbildung 31 durch die breiten Pfeillinien markiert
ist. Das Divergieren wird daran deutlich; das Orkan-Druekfallgebiet aber wandert gemäß der
„Mittelströmung“ in das Delta der Frontalzone hinein.
Im atlantischen Abschnitt lieferte Bermuda (50) einen (nachträglichen) Beleg der Darstellung von Ab
bildung 31. Fine Höhenwindmessung am 12. Januar. 12 h MGZ, ergab hier, bei WNW von 32 km/h am
Boden, in 1500 m Höhe WNW-Wind von 7 6 km/h (damit übrigens den stärksten 1500 m-Höhenwind
des ganzen Monats; Mittel aus 18 Fällen war 43 km/h). Die Cirren zogen sowohl um 12' 1 w r ie um 18 h MGZ
des 12. Januar aus Nord west. Man sieht, wie stark dieser Cirrenzug schon auf die Warmfront des Drei
massenecks (Abb. 25, Tafel 3) reagiert, wie er die indirekte Höhenströmungsbestimmung (Abb. 31) bei Bermuda
rechtfertigt, wie er aber auch — indem das Orkan-Druckfallgebiet durchaus nicht mit den C i r r e n
siidostwärts, sondern ostno rdostwärts zieht — auf eine mindestens nordöstlich gerichtete
Höhenströmung auf der amerikanischen Seite des Dreimassenecks schließen läßt.