Dr. Joachim Bliithgen: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens
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des Eises im westlichen Teil des Finnischen Meerbusens und der Temperatur des Tiefenstromes im Skagerrak
einige Monate vorher zu bestehen“. Schließlich hängt die Zeit des Erscheinens des Eises im westlichen Finnen
busen nach Wiese noch von der Höhe des Wasserstandes an der östlichen Küste des Baltischen Meeres im Herbst
ab, intensive westliche Winde im Herbst heben den Wasserstand und verfrachten gleichzeitig wärmeres Westwasser
in die Ostsee und in den Finnenbusen.
Die Methode Wieses, die Reaktionsträgheit hydrologischer Vorgänge prognostisch auszunutzen, führte bei
ihrer Anwendung auf die Eisverhältnisse der Barentssee zu beachtlichen Ergebnissen, denn seine berechneten und die
beobachteten Eiskurven gehen weitgehend parallel. Wiese glaubt, an Hand der Wassertemperatur und Eisverhält
nisse der Barentssee die Lufttemperatur Nordeuropas Voraussagen zu können, sofern exaktere hydrographische
Messungen im Barentsmeer vorliegen.
Für den Finnischen Meerbusen im speziellen versuchte Wiese außer den genannten Methoden noch den
Weg, die Lufttemperatur der Wintermonate für den Termin der Enteisung auszunutzen. Die Temperatur der
Wintermonate über dem Baltikum ist bekannt, diejenige des letzten Monats vor der Enteisung muß jedoch a priori
vorhanden sein, um eine wirkliche Vorher sage aufzustellen. Wiese fand nun, daß die Apriltemperatur von
Leningrad in Beziehung steht zur Lufttemperatur des vorangegangenen Winters in Vardö. Dementsprechend kann
eine direkte Beziehung zwischen dem Termin der Enteisung und der Lufttemperatur von Vardö im Winter vorher
angenommen werden, diese ergab sich tatsächlich mit einem Faktor von 0,62. Schließlich konnte als weiteres
Hilfsmittel noch die Dicke der Schneedecke auf dem Eise prognostisch ausgewertet werden, da von ihr die Ent
eisung ebenfalls abhängt. Nach dem gleichen Verfahren hat auch Wiese den Aufgang der Newa vorausberechnet
und brauchbare Resultate erzielt. Wieder war die Beziehung zwischen der Apriltemperatur in Leningrad und der
vorangegangenen Wintertemperatur in Nordnorwegen ausschlaggebend.
Die Frage nach einer bestimmten Beziehung zwischen der Intensität der Vereisung im Untersuchungsgebiet
und in den nördlichen Eismeeren soll noch an Hand einer kurzen Tabelle erörtert werden. Nach Nautisk-Mete-
orologisk Aarbog habe ich die mittlere Ausbildung der Vereisung für die Barentssee, für Spitzbergen, für die
nordostgrönländische und für die südostgrönländische sowie isländische Küste in Beziehung gesetzt zu der Aus
bildung der Vereisung im Gebiet des Finnischen und Rigaischen Meerbusens. Wie die Tabelle zeigt, läßt sich auf
diesem Wege nur eine klare Beziehung zwischen Barents- und Ostsee herauslesen. Zwar scheint zwischen den öst
lichen und den grönländischen Gebieten des Eismeeres ein gewisser Rhythmus zu bestehen, jedoch steht er offen
sichtlich nicht in Beziehung zur Vereisung im Ostseegebiet. Etwas anderes ist es mit der Vereisung im Barents
gebiet, die mit der Vereisung der Ostsee weitgehend parallel verläuft.
Winter—
Frühjahr
Finnischer und
Rigaischer Meerb.
Barentssee
Spitzbergen
Ostgrönland
Nord Süd
1921
sehr mild
sehr mild
mild
normal bis streng
1922
sehr mild
mild
mild
normal bis streng
1923
streng bis normal
sehr mild
sehr mild
streng
normal bis streng
1924
streng
mild bis normal
sehr streng
mild
normal
1925
sehr mild
mild
mild bis normal
sehr mild
streng
1926
sehr streng
normal bis streng
mild
sehr mild
sehr mild
1927
normal
normal bis streng
normal bis mild
sehr mild
sehr mild
1928
normal
normal bis mild
streng
sehr streng
mild
1929
sehr streng
sehr streng
streng
normal bis mild
mild
1930
sehr mild
sehr mild
sehr mild
normal bis mild
streng
1931
normal
normal bis mild
sehr mild
mild
normal bis streng
1932
normal
normal
normal
normal
streng
1933
mild
mild
sehr mild
sehr mild
mild
1934
normal bis streng
streng
normal
normal
normal
1935
mild bis normal
normal
normal
mild
?
Die Tabelle zeigt deutlich, daß die Vereisung der Ostsee, d. h. besonders die des vorliegenden Arbeits
gebietes, mit der Vereisung in der Barentssee ziemlich große Gleichheiten besitzt, sofern wir uns auf möglichst all
gemeine Angaben über den Charakter der Vereisung beschränken, die wirklich auch für das gesamte Gebiet sowohl
der Ostsee wie der Barentssee zutreffen. Dies stimmt vollkommen überein mit der früher auch für den Bottenbusen
geäußerten Behauptung (Lit. Nr. 31, S. 60). Es ist also vorerst nötig, festzustellen, von welchen weitgespannten
meteorologischen und hydrographischen Schwankungen das ungleich größere Gebiet der Barentssee betroffen und
dirigiert wird. Wenn dieser Rhythmus geklärt ist, ergibt sich automatisch dessen Ausdehnung auf das Ostseegebiet,