Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 53. Band Nr. 6
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Seitenarme und bildet auf diese Weise ein Delta. Diese durchfließen das Watt und führen das Wasser in die
Elbe. Im schlickigen Sandwatt haben sich Wasserarme als kleine Rinnen eingeschnitten. Das Delta aber,
welches sie gemeinsam bilden, hat nach jeder Tide eine andere Form. Die Priele, die im Watt auf festen
Kleiboden stoßen, haben nur im Anfang eine Rinne ausgebildet, später fließt das Wasser ohne Rinne ab.
Der bereits erwähnte große Priel teilt sich im festen Kleiwatt nicht. In einer flach eingeschnittenen
Rinne führt er sein Wasser in die Elbe.
Als weitere Oberflächenformen sind kleine Inseln zu erwähnen, die von der niedrigen Binse (Scirpus
pauciflorus) bewachsen sind. Bei Hohlebbe liegen sie vollkommen frei und sind nicht von Wasser umgeben.
Die Inseln will ich als Vegetationsinseln bezeichnen. Die größten der Inseln haben höchstens einen Durch
messer von 4 m. Im Anfang glaubte ich, daß sie einen neuen Anwuchs darstellten. Aber bald fand ich im
festen Schlick, der die Inseln umgab, noch abgerissene Wurzeln der Binse. Dies war der Beweis, daß hier
die Inseln eine größere Ausdehnung gehabt haben müssen, daß also auch sie sich im Abbruch befinden.
Die Inselchen geben dem Schlickwatt ein besonderes Gepräge. Es sieht aus, als ob in ihm lauter kleine,
runde Rasenbeete angelegt worden seien.
Als weitere Oberflächenformen findet man auf den Dargschichten, die das bewachsene Watt bilden,
kleine, muldenartige Hohlformen. In ihnen ist ein schlammiges, trübes Wasser, das im Sommer einen un
angenehmen Geruch (Schwefelwasserstoff) verbreitet. Die Dargschicht trägt eine lichte Pflanzendecke,
aber im Umkreis der Mulden finden sich keine Pflanzen.
Rippein sind in unserm Gebiet außer im festen Kleiwatt überall ausgebildet.
a') Das Watt in den verschiedenen Jahreszeiten.
Das Abbruchswatt ist an den ersten Frosttagen, ähnlich wie das Stillstandswatt, von einer feinen Eis
schicht überzogen. Wenn aber nach längerem Frost das Eistreiben eingesetzt hat, erhält das Watt ein ro
mantisches Aussehen. Große Eisblöcke bis zu 2 m Höhe liegen in buntem Gewirr auf dem Watt umher.
Über sie hinweg sind Eisschollen geschoben, die entweder flach aufliegen oder wie eine Wand in die Luft
hoch emporragen.
Im Frühjahr hat das Watt ein völlig anderes Aussehen angenommen. Es ist dann von einer breiigen
Schlammschicht überzogen. Durch den gerade jetzt starken Abbruch werden dem Watt soviel Erdmassen
zugeführt, daß die Strömung nicht imstande ist, sie ganz zu entführen. Dicht am Ufer sind die heraus
gewaschenen Erdmassen so hoch aufgeschichtet, daß das Ufer viel niedriger erscheint, als es wirklich ist.
Vor allem auf dem Wattstreifen hinter den Dargschichten, der der Ebbströmung nicht so ausgesetzt ist,
konnte ich die Bildung von richtigen Schlamm- und Sandbänken beobachten. Erst im Laufe des Sommers
entfernt die Strömung die ausgeschlämmten Erdmassen.
Ein Bild der Verwüstung bietet das Watt dort, wo die Dargschicht liegt. Hier hat das Eis den Darg
völlig zerstört. In großen Schollen liegt er über das Watt verstreut und erweckt den Anschein, als wäre ein
gewaltiger Pflug kreuz und quer durch das Watt gefahren und hätte diese großen Schollen aufgeworfen.
Die meisten dieser Schollen werden von der Strömung zerstückelt und hinweggeführt. An den ge
schützten Stellen bleiben aber auch einige liegen. Auf ihnen entwickelt sich zuweilen eine Vegetation. Sie
werden von der niedrigen Binse besiedelt und können daher vielleicht als das Anfangsstadium der oben
beschriebenen Vegetationsinseln angesehen werden.
Gerade im Winter 1932—1933 ist ein sehr starker Abbruch bei den Dargschichten zu verzeichnen ge
wesen. Ich konnte an Hand von Messungen feststellen, daß wir hier einen durchschnittlichen Abbruch von
mindestens 1,50 m gehabt haben. Die Veränderung war daher im Frühling so groß, daß ich diesen Watt
streifen, den ich im vergangenen Sommer fast täglich besucht hatte, nicht wiedererkannte. Ich hatte Mühe,
die von mir markierten Punkte überhaupt wiederzufinden.
Darg und Schilfmoor.
Bevor ich das Kapitel über das Abbruchsvorland beende, möchte ich noch kurz auf den Darg eingehen.
Ich habe den Namen von Allmers übernommen. Dieser verstand unter Darg ein Geschwemme von Schilf
resten und Holzstückchen, das in größeren Mengen von den Hochwassern abgelagert und später von Schlick
überdeckt wurde. Alle Moore, die in den Tonablagerungen der Marsch eingelagert sind, nannte er Darg.
Sie verdanken nach seiner Ansicht daher alle ihre Entstehung der ablagernden Tätigkeit des Wassers.
Die Definition des Dargs nach Allmers ist in dieser Arbeit übernommen worden. Der Darg ist in un
serem Gebiet überschlickter Deeken. Es soll aber in dieser Arbeit keineswegs die Ansicht vertreten werden,
daß alle eingelagerten Moore auf eine Dargbildung zurückzuführen seien. Wir haben im Abbruchswatt viel-