Rudolf Geiger und Fritz Wagner: Höhenwinde vor der westafrikanischen Küste 21
die Sonne die Kimm erreichte, verschwand sie in einer flachen Dunstschicht. Die Rauchfahne
des Schiffes legte sich flach auf das Wasser. Bis wir Cap Blanco an Steuerbord querab hatten
(Distanz 25 Seemeilen), verschwand alles in der stark diesigen Luft. Vor allem gegen Land,
nach E zu, war die Sicht so behindert, daß man auf der Brücke bereits in Erwägung zog,
Nebelsignale zu geben.
Die „Wigbert“ trat um diese Zeit in den Bereich des kalten Küstenwassers ein, das in
seinem Temperaturgegensatz zu den bisher durchfahrenen warmen Mcerestcilen die Ursache
der Trübung war. Von 20 h auf 21 h (Ortszeit) fiel die Wassertemperatur von 24,0 auf 18,4° C.
Der nach S setzende Strom führte offenbar die über dem Kaltwasser abgekühlte Luft in flacher
Schicht in das südliche Warmluftgebiet hinein, also der „Wigbert“ entgegen. Das Schiff pflügte
diese seichte Kaltluftschicht auf, so daß an Deck der Mischungsvorgang der Kalt- und Warmluft
meßbar wurde. Die Terminbeobachtung am Abend
zeigte sprunghafte Änderungen im Stand des trocke
nen und feuchten Thermometers, deren Grenzwerte
im Tagebuch (siehe Seite 50) angeführt sind. Auch
die Registrierungen auf dem Peilkompaßdeck, von
denen die Abbildung 9 einen Ausschnitt darbietet,
lassen die wachsende Unruhe der Luft mit der
Annäherung an das kalte Wasser erkennen. Nach
Durchfahren des Grenzgebietes beider Luftmassen,
das zugleich das Nebelgebiet war, sank kurz nach
20 h (Ortszeit) auch die Lufttemperatur um 6 0 C,
die Feuchtigkeit stieg um 40 %, und die Unruhe
hörte auf. Aber noch einmal, nämlich zwischen
22 h und 23 h , machte sich die Mischung in den
Schwankungen der meteorologischen Elemente und einem geringen Anstieg der Temperatur und
Fall der Feuchtigkeit geltend.
Bei klarster Sicht (50 sm) erfolgte die Weiterfahrt am 14. und 15. November gegen frischen
Passat. In den ersten Morgenstunden des 16. lag wieder Gran Canaria, von seiner Cu-Haube
eingehüllt, vor uns. Um 7 h 30 m morgens waren wir im Hafen von Las Palmas eingelaufen.
Herr O e t k e n , der Agent der Woermann-Linie, der bereits auf unserer Ausreise während
des kurzen Aufenthaltes in Las Palmas uns zur Seite gestanden hatte, ermöglichte es uns durch
seine Liebenswürdigkeit, daß wir den kurzen Vormittag des 16. November zur Erfüllung eines
besonderen Wunsches ausnutzen konnten. Wir fuhren nämlich im Auto zu der Gandobucht,
die als Ziel für den deutschen Flugverkehr nach Gran Canaria benutzt wird und für uns daher
besonderes Interesse hatte 15 . Während der Hafen von Las Palmas dem NE-Passat, der oft
mit größter Heftigkeit weht, frei ausgesetzt ist, schützt ein nach E sich vorstreckendes Vor
gebirge („Punta Gando“) die Gandobucht, so daß dort für Flugzeuge bessere Gelegenheit zum
Anwassern gegeben ist. Auch ist dort — für die vulkanische Insel eine Seltenheit! — ein
flacher Strand zum bequemen Hinaufgleiten der Maschinen, und gegen das Landinnere erstreckt
sich zunächst eine weite Ebene, die günstigste topographische Bedingungen für die Anlage eines
Flugplatzes bietet. Man sagte uns aber, wenn der NE-Passat zu großer Stärke anwachse, so
erzwinge er seinen Weg zwischen Vorgebirge und Hauptinsel hindurch und blase dann, wie aus
15 Vgl. H. Seilkopf, Meteorologische Beobachtungen auf dem Las-Palmas-Flug der Deutschen Luft-Hansa, Juni
und Juli 1928. Aus dem Archiv der Seewarte 48, Nr. 4, Hamburg, 1930.
Abb. 9. Einfahrt in das kalte Küstenwasser
bei Cap Blanco (13. November 1930).