Rudolf Geiger und Fritz Wagner: Höhenwinde vor der westafrikanischen Küste 23
Wolkenfeld nach, so bot sich derselbe Anblick wie beim Herankommen einer typisch aus
gebildeten Böenwalze. Fallstreifen, die vom Wulst herabhingen, gaben einmal Anlaß zur
Bildung eines Regenbogens.
Mit der am 19. November in Höhe der Kanarischen Inseln erkennbaren Druckstörung ist es
vielleicht in ursächlichem Zusammenhang, daß das riesige Sturmfeld, das in den folgenden Tagen
über den Nordatlantik zog, sich von Island südwärts bis in den Bereich von 35°N.Br. erstreckte.
Auf seiner Vorderseite lief die „Wigbert“ bei stetig auffrischenden südwestlichen Winden in
die Biskaya hinein. Hatte uns auf der Ausreise der N-Wind der Rückseite das kühle W-Wind-
wetter in die Passatzone hinein mitgeführt (siehe Seite 7 und Abb. 1), so trugen uns jetzt die
Vorderseitenwinde das warme Wetter des Passatgebietes mit hinein in die Westwindzone. Auf
der Abbildung 10 sieht man daher die Lufttemperatur vom 19. bis 21. November mittags über
der Meerestemperatur liegen.
Der 20. November begann mit leichtem Vorderseitenregen; die Nbst-Decke lag nur etwa
100 m hoch und jagte aus SW. Die Hauptdepression, der diese Tropikluft zuströmte, zog
langsam auf der Linie Neufundland—Schottland gegen ENE und schickte nur einzelne Rand
wirbel mit großer Geschwindigkeit gegen die Nordsee voraus. Die „Wigbert“ befand sich bis
21. November mittags in dieser originalen, noch über 18° C temperierten Tropikluft, und nur die
vermehrte Niederschlagsneigung, der stetig fallende Druck und das rasche Auffrischen des
Windes zeigten die Annäherung an das Sturmfeld, die auch aus den folgenden Angaben für die
Morgentermine (7 h ) entnommen werden mag:
Tag (November 1930) 19. 20. 21.
Abstand der „Wigbert“ vom Zentrum des Sturmfeldes (km) . 2400 1900 1400
Gradient (mm/lll km) 1,3 2,2 2,4
Wind (m/sec) S6 SSW 9 SW 16
Am 21. November frischte der Wind weiterhin rasch auf, und es regnete mit Unter
brechungen heftig. Um 13 h 58 m brach die erste Kaltfront ein (siehe Abb. 10): der Wind ging
auf 25 m/sec hinauf, ein Graupelfall fegte über die See, und am Abend war trotz der vorge
schrittenen Jahreszeit im N Wetterleuchten zu sehen. Aber noch blieb der zum Sturm anwach
sende Wind auf seiner südwestlichen Richtung (siehe Abb. 10). Bei dem Kaltfrontdurchgang um
Mittag hatte es sich nur um einen kleinen Ausläufer gehandelt.
Erst am 22. November, als die „Wigbert“ sich der W-Spitze der Bretagne näherte, brach
die Hauptfront der Kaltluftmassen ein. Der Sturm nahm weiterhin zu. Um 14 h 45 m setzte erneut
Regen ein, wobei der Wind langsam auf westlichere Richtung drehte. Der Sturm gipfelte in
orkanartigen Böen, bei denen bis 31 m/sec von uns gemessen wurden 16 . Der Durchgang der
Frontalzone dauerte bis etwa 17 h . Heftige Regenschauer, Druckstufe und Temperaturfall waren
die gewohnten Begleiterscheinungen des Einbruchs. Die Abendbeobachtung, kurz nach dem
Passieren des Ouessant-Leuchtfeuers, zeigte bereits Wind aus rein nördlicher Richtung.
Markant wie die Vorderseite und der Kaltfronteinbruch war auch das Rückseitenwetter, das
diesem großen Sturmfeld folgte. Am Morgen des 23. November, als die „Wigbert“ im west
lichen Kanaleingang unweit der französischen Küste auf der Länge von Plymouth stand, hatte
10 Der Thermoliygrograph mußte in der Hütte festgelascht werden; denn das Schiff neigte sich (gemessen
am Neigungsmesser) bis 23° über. Es war dies der Sturm, der am folgenden Tag (23.11.) in der Außenelbe
den Untergang der „Luise Leonhardt“ verursachte und auch sonst im Lande viel Schaden brachte (z. B.
die Münchner Funktürme umlegte).