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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 51. Bd. Nr. 4-,
ist sehr selten 1 . Eine sehr wertvolle Arbeit, die viel brauchbare Anwendungen hätte veranlassen können, ist die
Behrmannsche Arbeit 2 , die den größten Teil der hierhergehörigen flächentreuen Netze in bezug auf ihre Ver
zerrungsverhältnisse untersucht.
So kommen wir denn zur Formulierung der Probleme, deren Lösung die vorliegende Arbeit dienen soll. Die
große Mannigfaltigkeit und z. T. auch Zusammenhanglosigkeit der bis heute vorliegenden Entwürfe macht es not
wendig, daß eine einheitliche mathematische Form für diese Projektionsgruppe gefunden wird, die es gleichzeitig
gestattet, alle weiteren Möglichkeiten der Bildung neuer Projektionen zu übersehen, und gegebenenfalls aus der
Anzahl der noch möglichen Entwürfe den bisherigen in der einen oder anderen Hinsicht überlegene zu entwickeln.
Es müßte also eine Abhilfe dahingehend geschaffen werden, daß unter Aufgabe der historisch überlieferten Her
leitungen der einzelnen Projektionen eine mathematische Normalform für diese Gruppe aufgestellt wird, um die
selbe nicht mehr nur nach äußeren Merkmalen klassifizieren zu müssen. Es soll dann ferner an Hand der aus der
einheitlichen Behandlung aller unechtzylindrischen Entwürfe gewonnenen Erkenntnisse die Brauchbarkeit
der Projektionen untersucht werden. Hierzu muß erst die Technik für den Gebrauch der unechten Zylinderpro
jektionen besprochen werden, wobei die Konstruktion auf graphischem Wege besonders bedacht werden muß.
Erst nach eingehender Darstellung der theoretisch technischen Seite der vorliegenden Projektionsgruppe kann dann
das für die Geographie Wichtige herausgearbeitet werden, die Anw T endungsmöglichkeiten für die Kartographie.
Zweiter TeiI
Die mathematischen Grundlagen
1. Abschnitt
Die allgemeine mathematische Behandlung der unechten
Zylinderprojektionen
Unserer Definition gemäß sollen die Parallelkreise stets eine Schar zum Äquator paralleler Geraden sein. Sie
sind daher von der geographischen Länge unabhängig. In einem Koordinatensystem, in dem der Äquator mit der
Y-Achse identisch ist (Abb. 1), würden die Parallelkreise die Form x — g(g>) haben. Die Meridiane können beliebige
Kurven sein. Sie sind von <p und X abhängig, haben also die Form y = f(<p, ?.), wobei für einen bestimmten Meridian
X als konstant anzunehmen ist. Für f(<p) kann dann eine beliebige Funktion eingesetzt werden. Die Gleichung
f(g>,X) stellt somit eine Kurvenschar dar. X wird als linearer Faktor auftreten. Denn, teilt man parallele Sehnen
einer Kurve nach einem konstanten Verhältnis und verbindet die Teilpunkte, so erhält man eine Kurve, die sowohl
die ganze von der Kurve eingeschlossene Fläche, als auch jeden der Flächenstreifen zwischen 2 parallelen Sehnen
in 2 Teile zerlegt, deren Teile sich verhalten wie die Teile einer Sehne. Um gleiche Flächenstücke zwischen 2 Paral
lelkreisen zu erhalten, wird man den Äquator und jeden Parallelkreis vom Nullmeridian bis zum Grenzmeridian,
d. i. von 0° bis 180° in gleiche Teile teilen. Bei einer ungleichen Teilung wäre es nicht möglich, unter Beibehaltung
geradliniger Parallelkreise Flächentreue zu erzielen.
Wir multiplizieren y = f(<p, X) mit einem Faktor n und x = g((p) mit einem Faktor m und bestimmen, daß n
stets so beschaffen sei, daß ein bestimmter Parallelkreis in seiner wahren Länge abgebildet werde. Die Netze nehmen
dann die Form
y = X); x~m-g{<p) (1)
an.
Die Länge eines Parallelkreises <p 0 von X = — 180° bis X = -f-180° ist
2y 0 = n-f(<p,7i)-'2, (2)
1 Auf die wenigen Fälle, bei denen eine Anwendung dieser Art erfolgt ist, wird noch bei der Untersuchung dos Aufgabenkreises
der unechten Zylinderprojektionen zurückgekommen werden.
2 Behrmann, Zur Kritik der flächentreuen Projektionen der ganzen Erde und einer Halbkugel. Sitzungsberichte der kgl. bayr.
Akademie d. Wissensch. München, 1909.