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J. Georgi - F. Ahlgrimm — W. Stöbe: Forschungsreise „Meteor“ nach Island—Grönland 1928.
Die fortdauernd ruhige Witterung ließ am folgenden Tag sogar den Wunsch der Expedition nach
einer Landung an der Ostküste zur Ausführung von Pilotaufstiegen verwirklichen, wofür wir dem Kom
mandanten zu besonderem Dank verpflichtet sind. Mit einem Motorboot und einem geschleppten Kutter
wurde eine Landungsabteilung mit Pilotgerät und Wasserstoff an Land gebracht. Auch hier war die
steile, nackte Gneißküste von Eisbergen besät. Wir fanden einen Fjord, der durch eine flache Schäre
gegen Seegang geschützt war, und in dessen Tiefe sich ein alpines Panorama steil aus einer weiteren
Bucht des Fjordes aufragender Berge mit Firnmulden, Lokalgletschern und Wasserfällen öffnete.
(Bild" 28 Taf. 8.) Auf einer inmitten des Fjordes liegenden, ca. 100 m hohen, 300 m langen Schäre
wurden 2 Pilotaufstiege ausgeführt bei so hoher Himmelsstrahlung trotz fast völliger astr- und acu-
Bedeckung, daß die normale Bekleidung als drückend empfunden wurde. Der Boden der Schäre war
dicht mit Moos- und Blaubeergesträuch und Zwergweiden bedeckt, soweit nicht der nackte Fels zutage
trat. Auch dieser Fjord würde sich trotz steilerer Bergwände wegen seiner runderen Form zur Flug
zeuglandung eignen, ebenso wie vermutlich Dutzende oder Hunderte von Fjorden an der südlichen Ost
küste. Bedenklich ist allerdings die überaus dünne Besiedelung der Ostküste auf mehrere hundert
Kilometer. Sind doch die Kolonien Angmagsalik und Scoresbysund von Dänemark angelegt worden, um
den aussterbenden oder abwandernden Eskimos der Ostküste eine wirtschaftliche Stütze zu bieten.
Leider hat sich infolge der schon oben erwähnten Unsicherheit der Karte die Lage des von uns be
suchten Fjordes nicht einwandfrei feststellen lassen. Er dürfte etwa 30 sml südlich Cap Juel zu suchen
sein.
Um 20 Uhr des 23. August gingen wir auf E-Kurs; bis zum nächsten Morgen 4 Uhr waren die
höchsten Spitzen der Küstenberge in der Gegend von Umivik, Nansens Aufstiegspunkt zu seiner be
rühmten Überquerung, achteraus zu sehen. Die Kaltwassergrenze wurde am 23. August, 22 Uhr, etwa
80 sml von der Küste passiert. Der Übergang erfolgte in mehreren Stufen über 40 sml verteilt, also
wesentlich abgeschwächt gegenüber dem Übergang am 14. August.
Inzwischen hatte sich am 24. August das Wetter wieder verschlechtert, mit niederen Wolken bis
200 m und Regenschauern bei auffrischendem Wind. Auch am 25. hielt diese Witterung an, doch trat
Windabnahme ein. Erst am 26. in der Nähe Islands erfolgte Aufheiterung, die wieder einige Höhen
windmessungen ermöglichte. Am 26., nachmittags, legte „Meteor“ wieder in Reykjavik an und blieb
bis zum 28. zum Kohlen. Die Expeditionsmitglieder waren vom Vorstand der Island. Met. Institutes,
Prof. Thorkeil Thorkelsson, zu einer Besichtigungsfahrt im Auto eingeladen worden, die sie zu den
heißen Quellen „Lauga“ und zu einem System von Kratern, dem Ausgangspunkt eines bis zum Meer
verfolgbaren prähistorischen Lavaausbruches führte. Auf Prof. Thorkelsson’s Veranlassung und unter
seiner Leitung wird versucht, diese Quellen, die heute nur zum Reinigen von Wäsche und zum Füllen
eines warmen Schwimmbeckens unter freiem Himmel ausgenutzt werden, durch Aufbohren ertragreicher
zu machen und nach Möglichkeit in die Verdampfungszene vorzudringen.
Nachs erschien ein außerordentlich intensives Nordlicht, wie man es zu dieser Jahreszeit dort noch
nicht gesehen haben wollte.
Einige Teilnehmer der Expedition waren am Abend Gäste des Ministerpräsidenten Tryggvi
Thorhallsson.
Während der folgenden Tage wurde vom „Meteor“ wieder Fischereischutz unter Island ausgeübt.
In Lee der Gletschermassive an der Südküste wurden föhnartige Luftströmungen durch charakteristi
sche Wolkenbildungen beobachtet und im Bild festgehalten, während Pilotaufstiege durch die häufigen
Kursänderungen erschwert wurden. Am 30. August, 17 Uhr, wurde der Rückweg nach Deutschland an
getreten.
Der 31. brachte heiteres, ruhiges Wetter mit prächtigen' Ci-Bildungen. Nachts, beim Passieren von
Fair-Island, kommt ganz plötzlich sehr dichter Nebel von der schottischen Küste herangetrieben, der mit
öfteren Unterbrechungen bis zum Morgen anhält. Das Heraustreiben von auf dem Land entstandenen
Nebelbänken in See hinaus ist für Schiffahrt und Luftfahrt besonders gefährlich, da der Übergang von