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Lucie Raebder: Grundlagen und Versuch einer laudseliaftskundl. Gliederung der nördl. algerischen Sahara.
Vom Licht der Sonne bestrahlt, erscheint sie blank wie ein Spiegel. Am fernen Horizont entstehen in
tensive Luftspiegelungen, die verschiedensten und unerwartetsten Bilder zittern am Himmel. Bei sinken
der Sonne und bei Verdunkelung von Wolken nimmt die Oberfläche der Gassis einen düsteren, bläulich
grünen Ton an, der ganz und gar die Vorstellung von einem Meer hervorruft und der Landschaft einen
viel düsteren und traurigeren Anblick gibt, als die Oghrouds, die ihre schöne Goldfarbe verlieren und
schmutzig-grau erscheinen. Wohl immer hat der Reisende das Gefühl des Ertrinkens in dieser unbe
schränkten Unermeßlichkeit und es kommt ihm vor, als erreiche er niemals einen Hafen in diesem Meer
ohne Grenzen. Aus den einsamen Gesängen der südlichen Nomadfen, die ohne Rast während des Weges
psalmodieren, klingt die Begeisterung über diese Unendlichkeit, die diese Stämme seit ihrer Jugend
durcheilen.“
Die nordwest-südöstlich streichenden Dünenzüge der Gassi-Sanddünenwüste steigen von 150 auf
200 m Meereshöhe an. Sie zeigen eine auffällige, einseitige Bewachsung: im Gassi Adham ist die dem
Nordostwinde ausgesetzte Seite im allgemeinen mit Pflanzen bedeckt, während die nach Südwesten ab
fallende, steile Seite nicht bewachsen ist. Die Vegetation ist sonst immer an die Tiefe der Becken
gebunden oder an den Fuß der Dünen.
In den Gassis trifft man häufiger die sogenannten Medjbeds an: breitspurige, nebeneinander liegende
Karawanenwege. In dtem Regboden bleiben die Tritte der Menschen und Kamele mitunter jahrelang er
halten, und diese Streifen sind für die Orientierung der Karawanen von hoher Bedeutung.
Die Gassis und Feidjs sind wie die Wadis als Vorzeitformen anzusehen. Ihre Entstehung verdanken
sie wohl der abtragenden und' aufschüttenden Wirkung von fließendem Wasser. Am einfachsten läßt
sich ihre Entstehung durch Absatz aus langsam fließenden, in der Ebene pendelnden Flüssen erklären.
Zu dieser Vorzeitkraft hat sich eine andere gesellt, die heute noch wirksam ist: der Wind. Er hat den
Schotterboden der Gassis und Feidjs, der durch die Trockenheit ausgedörrt wird, zur Regwüste umge
staltet, indem er ihm alle erdigen Bestandteile entführt und so das Kiespflaster über dem tiefer liegenden
Lehm- und Sandboden schafft.
2. Die reine Sanddünenwüste
Das Innere des Erg östlich des Igharghar ist außergewöhnlich schwierig zu begehen, fast unzugäng
lich; die Erkletterung der Engpässe ist selbst zu Fuß fast unmöglich, wenn nicht die Hände mit nach
helfen. Weiter nach Osten aber überziehen sich die Dünen mit Vegetation derart, dhß Had und Drin
fast ganz den Sand bedecken. Ihr Dasein führt Foureau auf den im Sommer zuvor gefallenen Regen
zurück 01 ).
Der unendliche Sanddünenwüstenkomplex des Erg auf der Strecke Ghadames bis Hassi Touaiza
entbehrt jeder sichtbaren Anordnung. Weder Gassis, Feidjs noch Dünenketten bringen Gliederung in
diese wirre Sandwüste, obwohl zu vermuten steht, daß auch die Täler des Kalktafelhochlandes sich einst
mals in den Igharghar ergossen; zahlreiche Muscheln zeigen noch an, daß es hier früher Seen gab * 62 ). Die
Dünenhöhe im Süden des Erg mit 250—300 m geht auf der Nordgrenze auf 60—70 m herunter. Hier
stehen die Dünen bereits etwas weiter auseinander, sind jedoch immer durch 15—30 m hohe Kämme mit
einander verbunden. Freilich läßt sich das durch vorzeitliche Wassermassen ausgestaltete Bodenrelief,
das in Chebka und Zeugenbergen sichtbar zutage tritt, auch noch unter der ungeheuren Sanddecke im
Becken des Erg stellenweise feststellen 63 ). Dieses felsige Knochengerüst ist am besten an der südlichen
Grenze des Erg gegen die Tafelländer erkennbar, wo die Dünen sich auf Kieseln oder Schichtkopfkämmen
der Unterkreidekalksteine und den Kalksandsteinen des Senons finden. Diese Felsen ziehen sich bis
weit nach dem Innern des Beckens unter den Dünenketten fort.
el ) a. a. O. S. 524.
62 ) Foureau, a. a. O. 1893. S. 534.
M ) Foureau, Doc. sc. S. 558,