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Aas dein Archiv der Deutschen Seewarte. — 48. Bd. Heft 2.
Die Sandünenwüste ist von der Gassi-Sandwüste im Aussehen durchaus verschieden; gewährt
letztere einen toten Anblick, so wirkt erstere anziehend durch die buschige Vegetation, die fast den
ganzen Boden bedeckt. Nicht nur die kleinen Sanddünentäler weisen Pflanzenwuchs auf, sondern auch
die Oghrouds sind merkwürdiger- und außerordentlich seltenerweise bis hinauf zu ihrem Gipfel mit Drin,
Ssfar, Had, Azal und Arisch, der den Umfang von einer 5—6 m hohen Staude annimmt, bestanden.
Reiche Vegetation zeigen auch die durch die Dünen freigelassenen Hohlformen, die als gewundene Fluß
bettreste zu erklären sind, und deren Boden einer grünen Prärie ähnelt. Dieser schöne Pflanzenwuchs
verschwindet jedoch allmählich nach der Hälfte der Strecke nach Norden zu. Die hohen Dünenberge
treten im Norden, wie schon angedeutet, weit auseinander, zwischen sich unregelmäßige große Täler ein
schließend, deren Boden von einem netzförmigen Gewirr kleiner Sandkämme bedeckt ist. Das Land
nimmt langsam den Anblick einer gewellten Ebene an, getüpfelt mit zahlreichen, zufällig verstreuten
Oghrouds — ohne Ordnung, mit einem Sandboden, der wie große Wogen schaumgekräuselt ist.
Der Zemoul-el-Khebar ist durch nicht hohe aber massige Dünenberge ausgezeichnet, die aber beim
Brunnen Hassi Touaiza verschwinden, um der Regwüste Platz zu machen, die mit einigen wenigen Sand
ansammlungen bedeckt wird — einer Art Vorläufer, die das Kampfmassiv vorausgeschickt hat.
Vorzeitliche Wassermengen bewirkten außer der Reliefgestaltung des Landes eine Anhäufung des
ungeheuren Sandmaterials in dem Ighargharbecken. Diese Anhäufung hat zu verschiedenen Erklärungs
versuchen Anlaß gegeben, die an dieser Stelle kurz nebeneinandergestellt werden sollen.
Früher glaubte man an ein diluviales Saharameer, dessen Boden der heutige Dünensand sei. Diese
Theorie lehnt ein Ausspruch Zittels am besten ab: „Das merkwürdige Relief der zerschluchteten Ge
birge und Hamaden verdankt die Sahara nicht dem Wellenschlag eines abgelaufenen Meeres, sondern
der kombinierten Wirkung von Süßwasser und Atmosphäre.“
Die Meinung der älteren Franzosen Duveyriers, Largeaus, Rollands, auch die Walthers war folgende:
der Boden wird durch Austrocknung zerstört und aufgelöst, der Wind transportiert den Sand in die
Becken, und letzterer bleibt darin liegen. Réélus glaubt, daß die Sandproduktion an Ort und Stelle der
Anhäufung vor sich gegangen sei und stellt im Sinne dieser Theorie die Behauptung auf: „Si les Vosges
se trouveraient sous un climat saharien, elles se changeraient bientôt en un amas de dunes.“
Dagegen steht nun die moderne Meinung Foureaus, Gautiers, Augiéras, Ghudeaus, die die vorzeit
lichen Wassermengen als verfrachtende Kraft für die Sandanhäufung in dem Ighargharbecken ansehen.
Die saharischen Flüsse haben auf ihrem Lauf eine ansehnliche Erosion ausgeübt und eine beträchtliche
Masse von Sand in den Flußbetten angesammelt. Die Flüsse trockneten aus und haben den Sand hinter
lassen. Die Vegetation hat ihn zunächst festgehalten (bei Timbuktu und am Tschadsee sind noch heute
diese „gefesselten Wüsten“ anzutreffen)" 4 ) — die Abnahme der Feuchtigkeit ließ auch sie verschwinden,
der Sand wurde frei. Dann erst bemächtigte sich der Wind seiner, zerkleinerte ihn und schuf die Dünen,
bis dann der Erg das Bett der alten Flüsse bedeckte.
Diese Ansicht vertritt auch Passarge: „So sind* denn die pliocän-diluvialen Ablagerungen die Quelle
des Sandes der Dünenregion. Diese wiederum haben ihn von den marinen Kreidesandsteinen des Atlas
bezogen. Demnach sind die Sande marinen Ursprungs, nicht aber ein Produkt der Winde, aus kristal
linen Gesteinen durch Zerfall und Deflation entstanden 65 ).“ — Erst nachdem der Sand durch die Gewässer
von den Sandplateaus fortgeführt und in niedriger gelegenen Teilen abgelagert worden war, konnte die
Arbeit des Windes beginnen. Dessen eigentliche Tätigkeit ist nur im Aufbau von Dünen und in der An
ordnung und Verteilung des Sandes zu sehen. Die jahrhundertelange Arbeit des Windes hat „alle Er
hebungen mit einem goldenen Mantel bedeckt, indem als Zeugen einer Beziehung zu einer andern
Epoche die Böden der Gassis und Becken geblieben sind und hie und da ein weißes Felsgerüst, das das
sandige Leichtentuch durchdringt 08 ).“ * **)
° 4 ) Augiéras, Lg Sahara occidental. Paris 1913.
**) GZ. 1909, Verwitterung und Abtragung in clen Steppen und Wüsten Algeriens. S. 505.
oe ) Foureau, Doc. sc. S. 561.