Studienrat Юг. Margarete Gans: Das Hudsonmeer.
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II. Die natürlichen Verhältnisse des Hudsonmeers.
a) Versuch einer geologischen und morphologischen Entwicklungsgeschichte des Hudsonmeers bis zur
Herausbildung' seiner gegenwärtigen Umrisse aui Grund der bisherigen Forschungen. (Kartenskizze I.)
Die Küste des Hudsonmeers weist in geologischer Hinsicht Erinnerungen auf 1. an das Archai
kum und das Proterozoikum, (unserm Präkambrium entsprechend), 2. an das Kambrium, das Silur und
das Devon, und 3. an das Diluvium. 1 )
Vorwiegend archäisch sind der Osten, der Norden und der Nord Westen des Hudsonmeers. Es
handelt sich dabei besonders um das Laurentische im alten Sinne (Laurentian), die charakteristische
Formation des kanadischen Schildes, bestehend aus kristallinen Schiefern, vor allem aus rötlichen bis
grauen, feinkörnigen, quarzreichen Gneisen, die durch Eindringen von gewaltigen Granitmassen —
teilweise auch Pcgmatiten, Gabbros und Dioriten —- stark verändert und außerdem zum Teil gefaltet
und verworfen worden sind.
Auf der Ostküste stehen an (nach Beils und Lows Beschreibungen stellenweise in prachtvollen
Aufschlüssen): von der Rupertbai bis Kap Jones Gneis, von da bis zur Einmündung des Nastapoka-
flusses Gneis und Granit, über das Portland-Vorgebirge hinweg bis Kap Smith wiederum Gneis, dann
bis Kap Nuvuk (Fortsetzung über Kap Wolstenholme hinaus zur Hudsonstraße) Gneis, durchsetzt mit
dunkelrotem Granitgneis und Pegmatit. Im Norden durchzieht ein nordwestlich-südöstlich gerichteter
Gneisstreifen die Mitte der Coats-Insel, bilden kristalline Schiefer, Gneise und Granite die Nordwand
der Southampton-Insel vom Seahorse-Point bis zur Frozen Streit. Im Nordwesten herrschen von der
Repulsebai über den Wager-Inlet südwärts rötlicher Granit und Gneis, vielfach Granitgneis; zwischen
Whale-Point und Kap Full ertön und # auf den Inseln vor dem Fullerton-Hafen treten zum Granit stark
auffallende dunkle Glimmer- und Hornblendescliiefer, auch grobe Gabbros (Huron i. a. S.); zwischen
Winchester- und Chesterfield-Inlet erscheinen wieder Granitgneise. Bei Whale-Point und Kap Fuller
ton sind die Faltungs- und Verwerfungserscheinmigen infolge des Eindringens der Granitmassen in
ausgezeichneter Weise zu sehen.
Proterozoische (präkambrische) Schichten überlagern das Archaikum an mehreren Stellen der Ost-
und der Nordwestküste. Im Osten gehören dazu einige kleine Gebiete- am Unterlaufe des East Main;
Kap Hope; die Point Hills; ein schmaler Küstenstreifen vom Kap Jones bis zum Portland-Vorgebirge,
und zwar bis zum Great Whale-River vereinzelt, weiterhin — besonders um den Riohmondgolf — zusam
menhängend; ferner die der Küste von Kap Jones bis zum 60.° n. Br. vorgelagerten Inseln und Insel
gruppen und ein Vorkommen bei Kap Smith. An der Nordwestküste sind präkambrisch: Teile der
Ufer von Wagerbucht und Chesterfield-Inlet; die Marble-Insel und das ihr gegenüber liegende Kiisten-
stück bis etwa 62° n. Br.
Im mittleren Bogen der Ostküste (Kap Jones-Portland-Vorgebirge) ist das Präkambrium des Hud
sonmeers am eingehendsten untersucht worden. (Bell, Low, Leith.) Leith rechnet es im besonderen
dem Algonkium zu. Es setzt sich aus einem etwa 900 m mächtigen Bau mechanischer und chemischer
Sedimente, die von basischen Eruptivgesteinen erfüllt und Überflossen sind, zusammen. Nur an weni
gen Stellen tritt der Bau aber in seiner Gesamtheit auf, charakteristisch ist vielmehr eine eigenartige
Trennung in 2 Gruppen: die Richmond- uni die Nastapokagruppe 2 ) (benannt nach der Örtlichkeit ihrer
besten Ausbildung). Die erstere ist das Liegende der letzteren. Die e retere ist nicht überall entwickelt
*) Die wissenschaftliche Verarbeitung der Forschuugsergebnisse der kanadischen Geologie ist sehr erschwert
durch die ungeregelte, schwankende Terminologie. In deutschen Uebersetzungen kanadischer geol. Artikel wird
die fremde Bezeichnung meist so, wie sie ist, übernommen. (Vergl. Haas. Pet. Mitt. 1908.) Der Name ,Proterozoikuiin‘
wurde von Chamberlin und Salisbury bestimmt für die Gesteinsbildungen zwischen dem Archaikum und dem
eigentlichen Paläozoikum, das mit dem Kambrium beginnt. Das Prot, wird eiugeteilt in Huron und Algonkium.
a ) Diese Zweiteilung hat selbstverständlich nichts zu tun mit der Einteilung des Proterozoikuims in Huron
und Algonkium!