Skip to main content

Full text: 34, 1911

10 
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 
1911, Nr. 
dämmerung). Wo die Sonne zur Winterszeit höchstens 6 Ellen (12°) über dem 
Horizonte steht, dauert der längste Tag 17 Stunden, und die Breite beträgt 54°; 
wo sie im Wintersolstitium nur 4 Ellen (8°) erreicht, währt der längste Tag 
18 Stunden bei einer Breite von 58°, endlich hat ein Ort unter dem 01.° weniger 
als 8 Ellen (nach Ptolemaeus 2 1 /*) Sonnenhöhe und 10 Stunden größte 
Tageslängc. 
Mit diesem reichlichen Zahlenmaterial vermochte Hipparch seine Breitentabelle viel mehr zu 
spezialisieren und auszudehnen als Eratostbenes. Indessen lassen sich nach Berger (S. 71) nur 
12 Parallelen hei Strabo bestimmt nachweisen. Er beginnt mit dem Parallel der Zimtküste (12°), da die 
niedrigeren Grade in der unbewohnbaren Zone (Terra inhabitabilis propter calorem) lägen und schließt 
mit dem 58. Grad, der die erfrorene Zone begrenzt. Als Parallel von Meroe hebt Strabo den 10. Grad 
hervor, Svene eignete der 24., Alexandria der 81., Babylon der Rhodos der 80., Alexandria in Troas 
der 41., Byzanz und Massilia der 43., Borysthenes der 48. usw. Sicherlich hatte Hipparch unter Be 
nutzung der Angaben des Pytheas seine Tabelle noch weiter nach Norden fortgesetzt, obwohl eine 
nähere Darstellung derselben Strabo unnütz erschien. 
Welche Genauigkeit hat Hipparch mit den ihm bei der Bieitenbestimrnung zu Gebote stehenden 
Hilfsmitteln erreicht? Am besten läßt sich diese Frage beantworten, wenn wir von seinen Gnomonzahlen 
und Angaben über den längsten Tag ausgehen. Bekanntlich errechnet sieb die Tageslänge in der sphärischen 
Astronomie, falls o die (positive) Sonnendeklination, 9 die geographische Breite und s 0 der zum halben 
Tagebogen gehörige Stundenwinkel ist, aus der Formel 
cos s' 0 = — tätig 9 • tang 6, oder 
cos (180 u —■ s 0 ) — tang 9 • tang o. 
Am längsten Tage ist. aber o = der Ekliptikschiefe — s, so daß man hat 
tang c = cos (180 u — s n ) ■ cotg s. 
Die Schiefe der Ekliptik unterliegt aber säkularen Veränderungen, sie nimmt zurzeit ständig ab. Nach 
Ptolemaeus, Almagest, üb. I, Cap. N11, cd. von Halma E 57 war zu Hipparch» Zeiten s -23° 51'. 
Dieser Wert scheint reichlich groß; K. Wolf gibt in seinem Handbuch der Astronomie, II. Bd., S. 01 
für die genannte Zeit s zu 23° 45' an. Wir haben nun nach obiger Formel für beide Werte von $ die 
Polhöhe von Tvrus, Syracus und Athen berechnet, falls an diesen Orten der längste Tag resp. 14 1 /«, 14 */a 
und 14 3 /s Stunden währte. Zum Vergleiche fügen wir in eckigen Klammern die wahren Breiten hinzu. 
s ----- 23° 51' 
Tyrus . . . . 9 — 33° 28' 
Syracus . . . 9 = 35° 1' 
Athen . . . . c — 37 0 8' 
£ = 23 0 45' 
9 = 33° 36' [9 = 38 11 12'] 
9 — 3( > 0 9' [9 = 370 4'] 
9 = 37° 13' [9 = 37° 58'] 
Während hier also auf jeden Fall die Dauer dos längsten Tages für Athen und Syracus zu klein angegeben 
ist, sind die Daten in Fragm. 14 und 15 c bei einer Ekliptikschiefe von s =- 28° 51' in schönstem Einklang 
mit der verlangten Polhöhe. Auch die Breitenangaben von Meroe, Svene, Alexandria, Rhodos und Massilia 
stimmen bis auf eine mäßige Anzahl von Bogenminuten mit der Wirklichkeit überein. Die Gnomonzahl 
7:11 für Carthago ergibt den auffallend falschen Wert von 9 = 32° 30' statt rund 36°. Auch die Angaben 
über Alexandria in Troas [39° 40'|. Byzanz [41 °] und den unteren Borystlienes [46°—47°] stimmen schlecht. 
Derselben Ungenauigkeit für diese Gegenden begegnen wir auch noch später bei den Arabern. 
Wie gestaltete sich nun bei Hipparch die rechnerische Behandlung der Breiten- 
bcstimmung? Darüber bleibt uns Strafte die Antwort schuldig. Die Auswertung der Gnomonzahlen 
und des Verhältnisses vom kürzesten zum längsten Tag läßt auf eine ausgiebige Anwendung seiner 
Sehnenrechnung schließen, die aber nicht auf uns gekommen ist. Wir kennen weder die zwölf Bücher 
des Hipparch noch die sechs des Menclaus von Alexandrien über Sehnen, wir wissen nur, daß 
das Rcchnungsverfahren des ersteren dem P tolemae ische n an Eleganz nachstand 1 ). 
') Vgl. v. Braunmühl, Vorlesungen usw. I, S. 14. Hipparch scheint auch im Besitze eines graphischen Ver 
fahrens gewesen zu sein, vermöge dessen er - it« twv jpa;*;«"» —- die oben genannten Aufgaben der sphärischen 
Astronomie zu lösen wußte. Dieser durch v. Braunmühl a. a. O. S. 10 ausgesprochenen und auf Keimmds Géographie 
d’Aboulfcda 1848 gestützten Behauptung steht M. Cantor, Vorlesungen usw., I. Bd., 8. ÜG2 ablehnend gegenüber.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.