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Die vertikale Tempcraturverteilung zwischen dem Erdboden und 3000 m über Hamburg.
Die Beziehungen der Bewölkung zu den Inversionen, soweit sie sich durch eine rohe Statistik be
stimmen lassen, zeigt die Tabelle 40 für die Jahreszeiten nach der Zahl der Fälle und für das Jahr
nach Prozenten.
Die Statistik der Wolkonliöhon in dieser Tabelle ist sehr unvollkommen und soll bei einer anderen
Gelegenheit genauer durchgeführt werden. So viel zeigt aber die Tabelle 40 bereits, daß in einem Viertel
der Fälle die Temperaturinversion bei heiterem Himmel auftrat und in einem weiteren Fünftel Wolken
nur oberhalb der Inversion auftraten, daß also nur etwa in der Hälfte der Fälle die Inversion unter sich
eine Wolkenschicht hatte, wie man es sonst wohl als Bedingung für ihr Auftreten angesehen hat.
5. Entstehung der vertikalen Temperaturvertciluug. — Entwicklung der Inversionen. —
Charakteristik der verschiedenen Höhenschichten.
Bis zur gesicherten Erklärung der wirklichen vertikalen Temperaturverteilung in der Atmosphäre
werden wohl nocli einige Jahre vergehen. Die Lehren von Poisson, Thomson und Reye über die Temperatur
änderungen in auf- oder absteigenden Luftmassen und über das konvektive Gleichgewicht sind gewiß
dauernde, höchst wertvolle Erwerbungen der Meteorologie. Ihre Anwendung aber ist noch zweifelhaft.
Daß aufsteigende Luft ohne Wärmezufuhr dynamisch erkalten muß, und daß dieser Prozeß bei ein
tretender Kondensation in bestimmter Weise verlangsamt wird, steht außer Zweifel; aber in welchem
Betrage dieses Aufsteigen in der Natur durch thermische und durch mechanische Ursachen bedingt wird,
ist eine offene Frage. Hat man vorzeiten alles durch die Erwärmung von unten und die horizontale
Zufuhr aus kälteren und wärmeren Räumen erklären wollen, ist dann einige Zeit lang der Wasserdampf
als Treiber der Maschine angesehen worden, so hat man später den mechanischen Ursachen auch für die
Entstehung der vertikalen Bewegungsanteile größere Beachtung geschenkt. Daß an Bergabhängen horizontale
Winde eine aufwärts gerichtete Komponente erhalten, weiß man längst. Später hat man erkannt, daß in
der Atmosphäre durch die Hindernisse der Erdoberfläche und durch Bewegungsunterschiede Wirbel und
Wellen entstehen, durch die zwangsweise Änderungen der Höhe und damit auch der Temperatur in Luft
massen erzeugt werden müssen. Soweit in zusammenhängenden Luftmassen dieselbe Bewegung herrscht,
wird dadurch zwar noch nicht die vertikale Verteilung der Temperatur geändert, wohl aber ist dies der
Fall, wenn benachbarte Luftmassen verschiedene Bewegungen erhalten und aufgestiegene über oder unter
abgestiegene gelangen, solange nicht Gleichheit der potentiellen Temperatur oder doch diejenige Ver
teilung derselben erreicht ist, die den jeweiligen Kondensations- und Strahlungsverhältnissen') entspricht.
Aus mancherlei Tatsachen, namentlich aus der Häufigkeit von „gebrochenem“ Himmel (Bewölkung
1—9) auf dem Meere (Archiv der D. S., 1893, Nr. 5, S. 15) mußte man weiterhin erkennen, daß auch über
ebener Unterlage stärkere horizontale Luftströmungen auch stärkeren vertikalen Luftaustausch bedingen,
und daß dieser auch ohne Erwärmung der Luft von der Unterlage aus zustande kommen kann.
Ganz neuerdings (Meteorol. Zeitschr. 1912, Nr. 2) hat A. Wegener den hydrodynamischen Begriff
der Turbulenz in die Meteorologie eingeführt. Dieser Begriff wird wahrscheinlich, wenn er erst in der
Hydrodynamik eine größere Klärung erlangt haben wird, große Bedeutung für die Meteorologie erhalten,
vorausgesetzt, daß überhaupt in der Atmosphäre wirbelfreie, nicht turbulente Bewegungen in erheblicher
Ausdehnung Vorkommen. Indessen kann der Begriff nur für einen Teil des vertikalen Luftaustauschs in
Betracht kommen, da in ihm vorläufig weder die vertikale Temperaturverteilung noch die mechanische
Ablenkung durch Hindernisse vorkommt; daß beide in der Atmosphäre als Bedingungen der Luftmischung
eine große Rolle spielen, zeigt die zeitliche und räumliche Verteilung der Cum und Cum-Nb unbestreitbar,
wenn auch diese Ursachen allein nicht zur Erklärung der Tatsachen ausreichen.
Durch Versuche in Röhren hat Reynolds bereits 1883 gefunden, daß die Strömung einer Flüssigkeit
plötzlich aus einer geradlinigen zu einer turbulenten wird, wenn die Größe ' 1 - den Betrag 2000 erreicht,
O
worin q Dichte, v mittlere Geschwindigkeit, I Röhrendurchmesser und li Reibungskoeffizient ist. Durch
Turbulenz wird der Ausfluß der Flüssigkeit ganz außerordentlich verlangsamt, womit auch der große
') Besonders in absteigenden Bewegungen überwiegt in zahllosen Fällen der Wärmeverlust durch Ausstrahlung
über die Tempevaturznnahme durch die Druokerhöhnng.