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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 1911, Nr. 5.
Von der noch größeren Inversion vom 6. Dezember 1910 ist oben, S. 35, eine graphische Dar
stellung gegeben.
Die höchste Temperatur wurde in diesen zwölf Fällen 500—1300 m über dem Elbspiegel erreicht;
sie war 4°—14° höher als diejenige am Boden.
Die Zeile „Feuchtigkeitsfall bis“ gibt an, bis zu welchem Betrage die in allen Inversionen nach
oben mehr oder weniger stark und plötzlich abnehmende Feuchtigkeit in oder über der Inversion
herabsank; 0 bedeutet, daß der Hygrograph absolute Lufttrockenheit angab. Das Verhalten der
Feuchtigkeit und Bewölkung in den Temperaturinversionen überhaupt wollen wir in dem folgenden
Abschnitt kurz betrachten.
4. Beziehungen der Temperaturinversionen zu Luftfeuchtigkeit und Bewölkung.
In der warmen Luftschicht der Inversion ist gewöhnlich die relative Feuchtigkeit weit niedriger als
in der kalten Schicht darunter. Zwei Lufträume, die in so offener Verbindung miteinander stehen, müssen
das Bestreben haben, ihre Dampfspannung durch Diffussion auszugleichen, und wenn sie verschiedene
Temperatur haben, muß die relative Feuchtigkeit im wärmeren Raum kleiner werden als im kälteren').
Da fortdauernd Luftmassen verschiedener Herkunft in vertikaler oder horizontaler Richtung in gegenseitige
Nähe gelangen, so wird diese Ausgleichung der Dampfdrücke freilich nur gelegentlich erreicht und häufig
auch überschritten.
Leider ist das Haarhygrometer, mit dem allein wir vorläufig die Registrierungen vornehmen können,
nicht imstande, solche plötzlichen Änderungen der Feuchtigkeit, wie sie beim raschen Durchgang des
Drachens durch eine Inversion eintreten, richtig anzugeben. Es hinkt einerseits nach und übertreibt
anderseits nachträglich. Wie ein Pendel, dessen Aufhängungspunkt plötzlich verschoben wird, braucht
das Hygrometer einerseits Zeit, um seine neue Gleichgewichtslage zu erreichen, anderseits schlägt es sodann
über diese hinaus. Denken wir uns das Pendel in einer sehr zähen Flüssigkeit, so haben wir das un
gefähre Bild des Verhaltens des Haarhygrometers: gelangt es plötzlich aus einem Raume von 100% in einen
solchen von 0°/o oder umgekehrt, so braucht es eine Anzahl Minuten, bis es die neue Gleichgewichtslage
erreicht, und schlägt dann weiter um 10 °/o oder mehr über diese hinaus. Aus dem Unterschied der Auf
zeichnungen auf dem Hin- und Rückweg durch dieselbe Schicht können wir die Natur des plötzlichen
Übergangs erkennen und die wirklichen Feuchtigkeitswerte in derselben annähernd erschließen, es fehlt
aber noch an Untersuchungen, die gestatten würden, hieraus durch Ableitung von Korrektionen die
wirkliche Verteilung der Feuchtigkeit zu bestimmen 2 )-
Es läßt sich daher noch nicht sagen, wie groß der Prozentsatz der Luftfeuchtigkeit in den Trockcn-
schichten über den Temperaturinversionen, wo der Hygrograph sehr oft sogar unter Null sinkt, wirklich
ist; daß er aber viel niedriger sinkt, als jemals an den entsprechenden Orten am Erdboden beobachtet
wird, unterliegt gar keinem Zweifel. Wir begnügen uns hier vorläufig mit einer kurzen Statistik der
Inversionen, in denen der Feuchtigkeitsfall nach oben mindestens 20% betrug und so schnell war, daß er
mindestens 6°/o für 100 m erreichte. Feuchtigkeitsfall ohne gleichzeitige Temperaturinversion, wie er,
wenn auch selten, vorkommt, ist in diesen Zusammenstellungen nicht berücksichtigt.
Die Zahl der Inversionen mit und ohne einen Feuchtigkeitsfall in diesem Sinne ergab sich
wie folgt, je nach der Größe der Temperaturinversion und der Jahreszeit:
>) Vgl. A. Wegen«', Thermodynamik der Atmosphäre, S. 146.
-) Einen sehr wertvollen Anfang hat Kleinschmidt in den „Beiträgen zur Pliys. d. fr. Atm.“ II, S. 106—110 gegeben.
Dem Verhalten im Freien am ähnlichsten ließen sich solche Untersuchungen wohl durch abwechselndes Vorbeileiten von
gesättigter und völlig trockener Luft an einem in ein Rohr eiugeschlosscnen Haarbündel eines Hygrographen ausführen.
Zwei Behälter mit komprimierter feuchter und trockener Luft hätten den Luftstroin zu liefern.