Die Stürme und die Sturmwarnungen an der deutschen Küste in den Jahren 189G bis 1905.
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rechnet sich gleich dem hundertfachen Wert der Zahl der günstigen Fälle dividiert durch die Zahl aller
möglichen Fälle, wobei diese alle günstigen und ungünstigen Fälle einschließen müssen; diese letzte
Bedingung läßt aber alsbald die hier bestehende Schwierigkeit hervortreten.
Günstige Fälle sind bei dem Sturmwarnungswesen die Rechtzeitigkeit der Ausgabe von Sturm
warnungen bzw. des Hissens von Sturmsignalen (wobei von der Richtigkeit des Signals an sich abgesehen
werden soll), ungünstige Fälle sind dagegen die verspäteten Ausgaben von Sturmwarnungen bzw. ver
spätetes Hissen der Signale, das gänzliche Unterlassen von Sturmwarnungen vor hereinbrechenden Stürmen
(Überraschungsstürme) und die Ausgabe von Sturmwarnungen ohne nachfolgenden Sturm (Fehlwarnungen);
die Fälle, wo das Senken von Sturmsignalen telegraphisch zu zeitig angeordnet wird, so daß noch stürmische
Winde ohne das Hängen der Signale auftreten, sollen den ungewornten (Überraschungsstürmen) zugerechnet
werden.
Gehen wir von den Sturmwarnungen aus, so haben wir die rechtzeitigen Warnungen als die günstigen
Fälle gegenüber den verspäteten und den Fehlwarnungen als den ungünstigen Fällen — wie steht es aber
mit den Überraschungsstürmen? Bei diesen sind keine Warnungen erlassen; diese ungünstigen Fälle ge
hören also nicht zu der Zahl der möglichen Fälle, wenn man als diese die Gesamtheit der erlassenen
Sturmwarnungen ansieht. Um die Überraschungsstürme mit den Fehlwarnungen zusammenfassen zu
können, müßte man die möglichen Fälle anders wählen; entweder müßte man dafür überhaupt, wie bei
der Wettervorhersage, die Zahl aller Tage des untersuchten Zeitraums oder aber die Gesamtheit derjenigen
Tage wählen, an denen sich eine Sturmgefahr bemerkbar gemacht hat. In beiden Fällen würde zu den
möglichen Fällen eine Reihe von Tagen getreten sein, an denen Imine Sturmwarnung ausgegeben wurde,
und unter diesen würden diejenigen mit Überraschungsstürmen die ungünstigen Fälle darstellen, während von
den übrigen diejenigen „ohne Warnung und ohne nachfolgenden Sturm“ (wo das Sturmwarnungswesen in der
Tat das Richtige traf) als günstige Fälle gezählt werden müßten. Da der Erfolg des Sturmwarnungswesens
aber nicht danach bemessen werden könnte, daß an Tagen ohne irgendwelche Sturmgefahr keine Warnung
ausgegeben wird, so fällt zunächst die Möglichkeit fort, die Erfolgberechnung einfach auf alle Tage aus
zudehnen, und andererseits ist es völlig ausgeschlossen, ohne die allergrößte Willkür diejenigen Fälle fest
zustellen , an denen es als Erfolg des Sturmwarnungswesens anzusehen ist, daß trotz gewisser Anzeichen
von Sturmgefahr keine Warnung ausgegeben worden ist. Somit ist es also nicht möglich, die Fehl
warnungen und die Überraschungsstürme zu vereinigen, wenn man von den Sturmwarnungen ausgeht.
Berechnet man andererseits den Erfolg auf Grund der Sturmtage, so hat man als günstige Fälle die
jenigen, wo Stürme rechtzeitig gewarnt waren, und als ungünstige diejenigen, wo Stürme zu spät oder
überhaupt nicht gewarnt wurden; hier haben wir die Überraschungsstürme untergebracht, befinden uns
aber jetzt vor der Unmöglichkeit, die F.ehlwarnungen einzuschließen, da diese keine Sturmtage sind und
somit nicht zu den bei dieser Art der Berechnung vorgesehenen Fällen gehören; eine Erweiterung des
Begriffs der möglichen Fälle erweist sich aber auch bei dieser Erfolgberechnung als untunlich.
Aus diesen Gründen werden nachfolgend wieder wie in der vorangehenden Abhandlung zweierlei
prozentisclie Erfolgwerte berechnet werden, der auf die Sturmtage gegründete „Sturm er folg“ und der
auf die Warnungen gegründete „Signalerfolg“ — für letzteren wäre die Bezeichnung „Sturmwarnungs
erfolg“ anschaulicher; sie durfte aber nicht gewählt werden, da es sich in jedem Fall um den Erfolg des
Sturmwarnungswesens oder kurz der Sturmwarnungen handelt, also diese Bezeichnung zu Mißverständnissen
Anlaß zu bieten vermag. In beiden Fällen galten als für den Erfolg entscheidend die Fragen: rechtzeitig,
verspätet oder falsch? und es wurden nur volle Erfolge als günstige Fälle gezählt, nicht aber Verspätungen
als halbe Erfolge in Rechnung gestellt. Gemäß den Anführungen in 9 ist vielfach bei den An
weisungen um Hängenlassen der Sturmsignale und teilweise, auch bei den Anweisungen zum Hissen
von Signalen hier ein zu strenger Maßstab angelegt worden, so daß zu viele Fehl Warnungen in Rechnung
gestellt worden sind und somit der Signalerfolg vermindert wurde, während der Sturmerfolg von jener
gegen die vorangehende Abhandlung veränderten Kritik nicht getroffen wird.
Der Erfolg eines Sturmwarnungswesens wird nie einseitig danach beurteilt werden können,
wieviele Stürme rechtzeitig, zu spät oder überhaupt nicht gewarnt worden sind, da dieser Erfolg beliebig
gesteigert werden konnte; würden täglich Sturmwarnungen ausgegeben, so gäbe es sicher weder verspätete
noch ungewarnte Stürme, und der Sturmerfolg wäre vollkommen, der praktische Erfolg aber gleich Null,
weil nunmehr die Zahl der Fehlwarnungen sehr zugenomnien haben würde, was durch die entsprechende
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