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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1901 Xo. 1 —
Als Abschluss der Splissungi um eine Loswindung derselben zu vermeiden, wird das freie Drahtende
rechtwinklig abgebogen, zwei- oder dreimal um das andere herumgebogen und kurz abgeschnitten; damit
dieses scharfe Ende nicht beim Aufwickeln auf die Trommel des Haspels die Nachbardrähte beschädige,
oder die Hand beim Leiten oder Oelen verletze, kann man darüber ein „Kleidchen“ von gewichstem Zwirn
bezw. „Pechdraht“ setzen.
Ausser Splissungen können auch andere Arten von Verbindungen zwischen Draht und Draht angewendet
werden. So empfiehlt Marvin, an denjenigen Stellen der Drachenleine, wo man Nebendrachen anzuknüpfen
beabsichtigt, zwei Drahtenden um dieselbe kleine Kausch herumzuschlingen und zwar jedes nur einmal, nicht
zweimal, wie er es für die Endkausch empfiehlt. Es wird so eine Art Scharnier im Draht gebildet (siehe
Fig. 70), das der Leine gestattet, einen beliebigen Winkel olme jegliche gefährliche Biegung des Drahtes zu
bilden. Die vom Weatlier Bureau verwendeten Kauschen haben nur 8mm Durchmesser und ca. 2 mm Dicke.
Immerhin kann man Bedenken haben, den Draht ohne weiteres über sie hinweg auf die Trommel zu wickeln.
Allein dies ist, wenn man sic nur in Entfernungen von 800—500 m vom oberen Ende der Leine anwenden
will, auch garniclit nöthig, weil sie an den Rand der Trommel gelegt und dieser beim Aufwinden des Restes
vermieden werden kann. An solchen Stellen ist denn auch deren Anbringung, wenn die Auslauf-Vorrichtung
es zulässt, recht bequem und empfehlenswertli, nur sind nach dem oben gesagten längere Splissungen, als
Fig. 70 sie zeigt, ratlisam.
Für manche Zwecke ist es (s. unten, „kombinirbare Leine“,) von grossem Vortlieil, einzelne Stücke des
Drahtes von einander zu trennen und mit einem auf einer anderen Trommel oder Trommelhälfte sitzenden
Draht verbinden zu können. Hierzu ist an den Enden der beiden Drahtstücke je eine Kausch — am vor-
theilliaftesten eine Schlangenkausch — anzubringen. Die beiden Kauschen kann man entweder durch ein
Stück Schnur verbinden — was aber bei Ilocluiufstiegen die Gefahr der Bildung eines Funkens an dieser
Stelle mit sich bringt — oder besser, man macht die Verbindung metallisch, wozu die auf dem äronaut.
Observatorium zu Berlin-Tegel benutzten doppelten „Teufelsklauen“ sehr bequem sind. Auch ein S-förmiges
Drahtstück, dessen umgebogene Enden, nach deren Durchstecken durch die zwei zu verbindenden Kauschen,
mittels einer Schnur zusammengebunden werden, leistet gute Dienste.
d) Der Haspel (das Spill, die Wintsch oder die Winde*), engl, windlass oder reel, franz. treuil).
Eine Trommel, auf die die Leine aufgewunden wird, und die mit den nötliigen Vorkehrungen zum Drehen
und Bremsen versehen ist, gehört zu dem unbedingt nothwendigen Zubehör der Versuche, namentlich sobald
man Draht als Leine verwendet. Sie muss sehr stark gebaut sein, um durch die Summirung der Drucke
der vielen Drahtwindungen nicht zerdrückt zu werden. Bei der grossen mit Dampf betriebenen Drachen
winde auf dem Blue Ilill und auch auf dem Berliner äronautisclien Observatorium ist ebenso, wie bei
manchen Tiefloth-Maschinen, der Drude auf mehrere Trommeln vertheilt, deren erstes Paar, um das der
Draht nur vier- bis sechsmal hcruingeht, nur den wechselnden Zug der Drachen aufzunehmen hat; von
diesem geht der Draht mit geringerer Spanuung auf die eigentliche Magazin-Rolle über.
Beim Beginn der Versuche hat sich die Seewarte in der Maschinenfabrik Hütter jun. in Wandsbek
einen auf einer Karre montirten transportablen Haspel hersteilen lassen, der nach Fig. 18—15 und S. 51—58
der Beobachtungen vom Blue Hill aus d. J. 1896 (Annals of Astr. Obs. of Harvard XLII, Pt. 1) gebaut wurde,
nur mit der Aenderung, dass die Trommel aus Gusseisen sowie 25 cm im Durchmesser und 25 cm lang ist,
statt aus Holz und 18 cm dick, 30 cm lang. Sie hätte besser noch grösseren Durchmesser erhalten sollen.
Diese Karre musste im Jahre 1898 und bis zur Mitte 1899 vor jedem Versuch aus dem zu ihrer Auf
bewahrung dienenden Schuppen an eine passende Stelle der Wiese gerollt werden, wo die Aufstiege statt
fanden; bei dem beträchtlichen Gewicht der Karre eine etwas umständliche Operation. Nachdem aber im
Juni 1899 die ei'forderlichen Geldmittel für die erweiterten Versuche bewilligt waren, wurde eine drehbare
Bude von 2.12 m Breite, 2.12 m Tiefe und 2.36 m Höhe auf dem inzwischen der Seewarte überwiesenen
Platze an der Schlankreye erbaut, die den Haspel und die ihn bedienenden Personen aufnimmt. Fig. 73
stellt sie im Grundriss dar. Auf einer kreisförmigen Schiene s, die auf drei gemauerten Pfeilern ruht,
laufen die drei Räder rrr, die die Bude tragen. Weitere Sicherung, namentlich gegen Umwerfen, liefert
ihr ein ebenfalls eingemauerter eiserner Bolzen b in der Mitte. Die ganze vordere Wand besteht aus einer
*) Obwohl ich im Betriebe selbst bisher den Ausdruck „die Winde“ gebraucht habe, glaube ich ihn vermeiden zu
sollen, da er durch seinen Gleichlaut mit „der Wind“ Unklarheiten, wenigstens bei Ausländern, hervorrufen kann.