Rottok: Untersuchung über die Aenderung der Temperatur-Koeffizienten a und b.
53
Sollte ausnahmsweise eine Reparatur der Hülfskompensation nöthig werden, so kann dies als schwer
wiegender Faktor allein in Betracht kommen, hei Schiffen die nur ein Chronometer an Bord haben, also für
Kauffahrteischiffe; Kriegsschiffe, wenigstens unsere, haben, sowie sie in das Ausland gehen, stets mehrere
Chronometer zur Verfügung und würde hier der Ausfall eines derselben nicht den grossen Vortheil aufheben,
den die Hülfskompensation der gewöhnlichen Kompensation gegenüber bietet. 33 ) Dass sie dieses wirklich
bietet ist aus der Abhandlung genügend nachgewiesen worden, und kann daher diesseits nicht dem bei
gestimmt werden, dass Chronometer mit einfacher Temperatur-Kompensation Angaben genau gleicher Zu
verlässigkeit liefern, wie ein Chronometer mit Hülfskompensation. wenn nur die Chronometer mit der nöthigen
Sorgfalt behandelt werden u. s. w.
Die zu dieser Untersuclmng herangezogenen Chronometer waren sämtlich, auch die mit gewöhnlicher
Kompensation, nur an Bord eines S. M. Schiffe bezw. auf dem Observatorium benutzt worden; es ist daher
anzunehmen, dass sie sowohl stets mit der genügenden Sorgfalt behandelt worden sind, als auch, dass die
durch eine Voruntersuchung auf einem Chronometer-Observatorium erlangten Instrumental-Konstanten, sowie
die später beobachteten Gangwerthe in richtiger Weise vcrwcrthet worden sind. Trotz der richtigen Be
handlung der Chronometer mit gewöhnlicher Kompensation hat sich dennoch ein nicht unbedeutendes Ueber-
gewicht der Chronometer mit Hülfskompensation vor denen mit gewöhnlicher gezeigt. 34 )
Schliesslich sei noch eine Bemerkung in die Betrachtung gezogen, welche in dem Lehrbuche der Navi
gation II, Theil VI, „das Chronometer“, Seite 267, aufgeführt ist, und in welcher angeführt wird, dass die
Hülfskompensationen, namentlich die nur bei bestimmter Temperatur wirkenden, einen geringeren Grad der
Zuverlässigkeit besässen, als einfache Temperatur-Kompensationen, weil im Laufe der Zeit geringe Spuren
von Staub und Oelpartikelchen zwischen die Unruhe und Anlehnungsstücke gelangten. Diese Verunreinigungen
33 ) Bei Kauffahrteischiffen könnte dem Uebel abgeholfen werden, wenn von Staatswegen verlangt würde, wie es bereits
von anderer Seite vorgeschlagen worden ist und diesseits nur als richtig anerkannt werden muss, dass sämtliche ins Aus
land gehende Schiffe mindestens zwei Chronometer an Bord zu führen haben.
34 ) Ausser der angezogenen Aeusserung von Caspari führt derselbe in seinem erwähnten Werke noch auf Seite 83 an,
dass die Hülfskompensation von Jacob nicht richtig gewirkt habe; auf Seite 151 meint er, dass Hülfskompensationen in dem
Mechanismus eine Zusammenhäufung von Bestandtheilen einführten, welche die Regelmässigkeit der Wirkungen schädige.
Des Ferneren glaubt Caspari auf Seite 153, dass die Chronometermacher grosse Vortheile haben würden, wenn sie bei dem
erprobten Modell der kreisförmigen Unruhe von Stahl und Messing, verbunden mit einer Spirale von gehärtetem Stahl,
bleiben würden, da so die Produktion industrieller würde und es ermöglichte, den Preis tier Chronometer herabzusetzen. —
Schliesslich kommt derselbe zu der Schlussfolge, dass die Bestrebungen dahin gerichtet werden müssten, einfache Konstruk
tionen herzustellen, in denen der aus der Temperatur herrührende Fehler auf ein Minimum gebracht wäre.
Auch Professor Dr. L. Ambronn schreibt in seinem „Handbuch der astronomischen Instrumentenkunde“: Dass eine
genaue Betrachtung aller Einflüsse, welchen die regulirenden Theile eines Chronometers ausgesetzt sind, es in mancher Hin
sicht gerathen sein lasse, von Komplikationen in der Kompensation ganz abzusehen und diese so einfach wie möglich zu
gestalten u. s. w.
Aus allen angezogenen Auslassungen geht hervor, dass es vortheilhaft für die Industrie und die Chronometer selber
sein würde, wenn möglichst einfache Konstruktionen verwendet würden, nicht aber, dass diese einfachen Konstruktionen
augenblicklich auch dasselbe oder besseres leisten wie die Hülfskonstruktionen; es ist nur der Wunsch zu ersehen, mög
lichst dahin zu streben, einfache Unruhen so herzustellen, dass sie ebenso gut wirken, wie die jetzige Hülfskompensation.
Selbstredend ist, wenn angängig, das Einfache immer dem Komplizirteren vorzuziehen, aber leider ist dies nicht stets mög
lich. Es müssen die Mängel, welche das Einfache aufweist, durch Hülfskonstruktionen solange verbessert werden, bis es
gelungen ist, sie zu beseitigen. Sollten die in der letzten Zeit namentlich von französischen Chronometermachern ange-
stellten Versuche mit Palladium-Spiralen und einfacher Kompensationsunruhe ohne Hülfskompensation bezw. die durch
Dr. Ch. Ed. Guillaume, dem Direktor des Observatoriums zu Neuchâtel, erfundene Unruhe aus Messing und Nickelstahl nebst
Spiralfeder aus Nickelstahl-Legirung ein derartig günstiges Ergebniss erzielen, w r ie gehofft wird, dass sie nämlich eben so
gut arbeiten, wie Chronometer mit Hülfskompensationen, so sind unbedingt Chronometer solcher Art, denen mit komplizir
teren Kompensationen vorzuziehen. Vorläufig jedoch muss versucht werden, durch Hülfskonstruktionen die einfache Kom
pensation aufzubessern.
Anmerkung. Der bekannte Chronometerfabrikant Nardin aus Locle schreibt über die Anwendung von Nickelstahl: »Die An
wendung von Nickelstahl für die Herstellung von kreisförmigen Unruhen ist der grösste Fortschritt, welcher seit langer Zeit in der
Temperatur-Reglage der Chronometer gemacht worden ist. Dieses Verdienst ist dem Dr. Guillaume zuzuschreiben, <
Auch Paul Perret in Chaux de Fonds hat eine Kompensations-Einrichtung sich schützen lassen, bei der die Unruhe die gewöhn
liche ist, die Spiralfeder aber aus einer Legirung von 7 2 Gewichtstheilen Stahl, 28 Gewichtstheilen Nickel besteht, Diese Uegirung soll
die Eigenschaft haben, mit dem Steigen der Temperatur gerade so viel an Elastizität zu gewinnen, um den erforderlichen Ausgleich für
die Wirkung der Temperaturerhöhung auf die Unruhe auszugleichen.