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dieser aus wächst der Luftdruck rasch nach Südosten und langsamer nach Nordwesten. Die kontinentale
Axe ist weit südostwärts über das Schwarze Meer hinaus verschoben. Bei dieser Situation betritt ein
breiter warmer ozeanischer Luftstrom aus niederen Breiten die spanischen und französischen Küsten und
überfluthet dann das ganze übrige Europa, ausser den Nordwesten. Warmes, mildes Wetter wird also
diese Zugstrasse charakterisiren für ganz Europa, welches auf der Südseite der eben erwähnten Rinne liegt,
dagegen die britischen Inseln und Skandinavien werden Wärmemangel zeigen (vgl. Karten). Kommen in
dessen auf der Rückseite der Depressionen nordwestliche Winde zur Entwicklung, so ist dieser Vorgang
von rascher erheblicher Abkühlung begleitet, die zuerst in Frankreich sich einstellt und dann weiter ost
wärts sich verbreitet. Jedoch sind diese Fälle selten (vgl. Tabelle XIII, Seite 29): in der Regel kommen
die nordwestlichen Winde nicht zur Entwickelung, indem wieder eine neue Depression im Westen auftaucht,
und so höchstens nur eine vorübergehende und wenig erhebliche Abkühlung stattfinden kann. Diese ist
durch die in Tabelle X gegebenen Abweichungen ganz deutlich markirt. Bewölkung und Regenwahr
scheinlichkeit sind für diese Zugstrasse sehr beträchtlich, gewöhnlich schreiten die Niederschläge von Westen
nach Osten fort und nehmen dann die ganze deutsche Küste, meistens auch das übrige, insbesondere das
westliche Deutschland, in ihr Gebiet auf. Charakteristisch für diese Zugstrasse ist das unruhige stürmische
Wetter, welches sich meistens über unsere ganze Küste ausbreitet. Gerade unsere heftigsten Stürme ge
hören dieser Zugstrasse an, welche insbesondere unsere Nordsee nicht selten mit beklagenswerthen Unglücken
heimsuchten. Ich erinnere nur an die Stürme vom 12. und 13. März 1876, an diejenigen vom 27. bis
30. Oktober 1880, und vom 19. November 1880. Es sei noch bemerkt, dass die Stürme auch bei dieser
Zugstrasse häufig von elektrischen Entladungen begleitet sind, und diese erfolgen hauptsächlich dann, wenn
der Wind in die nordwestliche Richtung übergeht.
Als Beispiel führen wir die Witterungsvorgänge in den ersten Tagen des Januar 1877 an, wo in
einer breiten Rinne niederen Luftdruckes, welche sich von den britischen Inseln ostnordostwärts über
den Finnischen Busen hinaus nach dem Weissen Meere erstreckte, hauptsächlich zwei Depressionen
lagerten, die eine über Südengland, die andere über dem Finnischen Busen, welch’ letztere am Vorabende
als Theilminimum einer grossen Depression im Westen, am Skagerrak gelegen hatte. Der höchste Luft
druck lag über Süditalien. In Folge der lebhaften, stellenweise stürmischen südwestlichen Luftströmung,
welche Mitteleuropa überfluthete, war das Wetter ausserordentlich warm, so dass die Temperatur in
Deutschland bis zu 11° über der Normalen lag. Rasch schritt die Depression im Westen ostnordostwärts
der Küste entlang fort, gefolgt von Sturmböen, zuerst aus westlicher, dann aus nordwestlicher Richtung.
Mit der Entwickelung der nordwestlichen Winde erfolgte auch die Abkühlung: bis zum 2. über den ganzen
Nordwesten Zentraleuropas, bis zum 3. über ganz Deutschland, so dass hier die Temperatur der Normalen
wieder ganz nahe kam. Aber am 4., als eine neue Depression von Island nach der Nordsee fortschritt,
erfolgte wieder neue Erwärmung zuerst im Nordwesten, nachher auch im Süden und Osten, so dass
am 5. in Deutschland wieder bedeutender Wärmeüberschuss vorhanden war.
Vom 24. bis zum 27. November 1878 schritt ein Minimum vom Kanal nach Finnland fort, gefolgt von
einer anderen Depression, die sich mit der ersteren zu einer Rinne niedrigen Luftdruckes vereinigte, welche
am 27. von Nordostfrankreich nordostwärts nach Finnland verlief. Die nordwestlichen Winde kamen nicht
zur Entwickelung und das Wetter blieb andauernd warm. Die Wetterkarte des 24. des eben erwähnten
Monats, zeigt sehr deutlich, wie ein barometrisches Maximum auf die Witterung unserer Gegenden einen
ganz anderen Einfluss ausübt, wenn dasselbe ostwärts gelagert ist. Am 24., als die bereits erwähnte
Depression vor dem Kanal erschien, lag ein barometrisches Maximum über Galizien, und obgleich ein zweites
über Italien entwickelt war, herrschte unter dem Einflüsse kontinentaler Winde über Deutschland ziemlich
kaltes Wetter, aber am 25., als der höchste Luftdruck nach Südosteuropa gewandert war, zeigte sich sofort
allseitige rasche Erwärmung, so dass die Morgen-Temperaturen stellenweise um 10° höher lagen, als vor
24 Stunden. Dieser Fall zeigt ganz deutlich, dass schon eine geringe Verschiebung in der Richtung der
Isobaren grosse Wärmeänderung hervorbringen kann. Am 24. waren die Isobaren über Deutschland nach
NNE, am 25. nach NE gerichtet. Diese Verschiebungen sind, abgesehen von lokalen Unregelmässigkeiten,
durch die gegenseitige Lage der Maxima und Minima bedingt und hieraus erhellt für die Wetterprognose
die grosse Wichtigkeit, Gesetzmässigkeiten für die Verschiebungen derselben aufzufinden.
Wärmere Jahreszeit. Das barometrische Maximum liegt in den allermeisten Fällen über Süd
europa, so dass die ozeanische Luft weit in den Kontinent Vordringen kann. Die Temperatur ist ganz