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Eine in diesem Betrage von rechts nach links wirkende äussere Kraft, welche, hier mit logischer
Nothwendigkeit gefordert wird, finden wir im sogenannten barometrischen \}ra dienten. Mehrere
dem Luftstrome parallele Reihen von Barometern am ebenen Grunde des Luftmeeres werden demnach einen
um so höheren Stand aufweisen müssen, je weiter man in der Richtung von a nach b (Fig. 4) quer durch
den Strom fortschreitet. Diese barometrischen Differenzen sind also zur Fortdauer des geradlinigen Luft
stromes, welcher sich quer zur Richtung der stärksten Druckabnahme (des Gradienten) bewegt, absolut
nothwendig.
Ueberhaupt muss bei jeglicher Luftbewegung mit einziger Ausnahme der Bewegung in der Träg
heitskurve (vergl. unten, Abschn. 5) ein Gradient auch in dem Falle vorhanden sein, wenn die Bewegung ohne
jede Reibung geschieht. — Dass die auf die Lufttheilchen wirkende Kraft zur Richtung der Bewegung
senkrecht steht (a = 90°), braucht dabei nicht zu überraschen, wenn wir an den ganz analogen Fall der
Planetenbewegung denken. Es bedarf eben bei gleichförmiger Bewegung „treibender Kräfte“ durchaus nicht,
wo, wie hier, davon abgesehen wurde, dass die Bewegung zu widerstehenden Reibungs-Kräften Anlass giebt.
Befände sich der Schauplatz der Luftbewegungen nicht in Rotation, so würde auch kein Gradient erfor
derlich sein. Wird der Einfluss der Rotation durch eine äussere Kraft ausgeglichen, und diese in der
Rechnung berücksichtigt, so kann man die relative Bewegung so behandeln, als ob sie eine absolute wäre.
Es sei hier noch darauf hingewiesen, dass bei der Ermittelung des Gradienten der als nothwendig
erkannte (oder, wenn man will: durch die der Centripetalkraft gleiche Centrifugalkraft her vor gerufene)
Gleichgewichtszustand, bei welchem, vom Drehungscentrum aus, die Flächen gleichen hydrostatischen Druckes
nach allen Seiten ansteigen, in Rechnung gezogen werden muss, indem die Stände der in der ebenen Fläche
der Scheibe aufgestellten Barometer hinsichtlich ihres Einflusses auf die Luftbewegung ohne Weiteres nicht
gleichwerthig sind. —
Hätte die Erde genau die Gestalt einer Kugel, so würde am Aequator derselben, gerade so wie
am Rande der rotirenden Scheibe, eine nicht nur durch das Quecksilberbarometer, sondern auch durch
das Aneroid und Hypso - Thermometer nachweisbare Luftanhäufung vorhanden sein, welche nach Vernach
lässigung der ersten Glieder in. den Formeln 14) bei Ermittelung des Gradienten zu berücksichtigen wäre. *)
(Bei horizontalen Bewegungen eines einzelnen Körpers auf der luftfreien Kugel wären diese Glieder in
dessen nicht zu vernachlässigen). Da indessen die Erdoberfläche (das Meeresniveau) eine durch die Rota
tion erzeugte Gleichgewichtsoberfläche ist, so vereinfacht sich das Verfahren der Ermittelung des Gradienten.
Die Oberfläche des Meeres hat nämlich nothwendigerweise eine solche Gestalt, dass bei relativer Ruhe die
horizontale, stets nach Nord gerichtete, von v unabhängige äussere Kraft
m am .uh<fi coscp
V1—t l si
sin <jp
[in 14')] von der An
ziehungskraft der Erde geliefert wird, indem deren Richtung mit der Süd-Nordrichtung nicht einen rechten,
sondern spitzen Winkel bildet, so dass in der Horizontalebene eine von S nach N gerichtete Komponente
der Anziehungskraft entsteht. In Folge dessen ist weder bei Bewegungen eines einzelnen Körpers inner
halb der luftfrei gedachten Erdoberfläche, noch bei Bewegungen im Luftmeere auf diesen von v freien
Kraftantheil der Gl. 14') Rücksicht zu nehmen. Im Zustande relativer Ruhe ist die leichtere Flüssigkeit
Luft auf der Wasseroberfläche derart vertheilt, dass am Grunde des Luftmeeres bei Messungen mit dem
Aneroidbarometer überall gleicher Luftdruck gefunden wird, ganz analog dem Falle, dass die paraboloi-
dische Quecksilberoberfläche in einem rotirenden Gefässe unverändert bleibt, wenn auf dieselbe eine Wasser
schicht gegossen wird, während die Grenzflächen der letzteren überall gleichen vertikalen Abstand erhalten.
Es ist indessen wohl zu beachten, dass Messungen mit dem Quecksilberbarometer nicht zu dem
selben Resultate führen, indem Luft und Quecksilber in gleicher Weise von der vertikalen Kraft beeinflusst
werden; die Gesammtkraft, welche die Massen nach dem Mittelpunkte zieht, nimmt aber vom Pole zum
Aequator ab, theils, weil dort die Entfernung vom Attraktionscentrum grösser ist, theils in Folge der verti
kalen Kraft 13) oder vielmehr des von v freien Gliedes derselben:
mRai 1 cos 2 cp.
Ein diesem Ausdrucke gleicher Antheil der Schwerkraft wird durch die Rotation der in relativer
Ruhe befindlichen Massen in Anspruch genommen, so dass nur der allerdings weitaus grössere Rest als
*) Ausserdem wäre noch auf die mit der Schwerkraft gleich gerichtete und durch sie gelieferte vertikale Kraft 13)
Rücksicht zu nehmen.