Kleinere Mitteilungen,
581
5. Wetterskizzen. Nr. 28: Die Abkühlung von Warmluft über kälteren
Meeresgebieten. Im Seewetterdienst ist die Tatsache wohl bekannt, daß die An-
gleichung der Luft- an die Meerestemperatur in jedem Falle sehr eng ist. Größere
Unterschiede vermögen überhaupt nur in Polarluft aufzutreten, in welcher der
von der Meeresoberfläche ausgehende Wärmetransport bei labiler Schichtung
der Atmosphäre auf die ganze Troposphäre verteilt wird, und es ist immer
wieder überraschend, in wie kurzer Zeit dabei der Charakter der Polarluft ver-
ändert wird: Fälle mit extremen Unterschieden zwischen Luft- und Wasser-
temperatur, von denen einige kürzlich von M. Rodewald!) beschrieben worden
sind, sind verhältnismäßig selten, und wie rasch dabei die Erwärmung vor sich
geht, mag man aus der von Rodewald®) erwähnten stärksten Kältewelle der
Oststaaten von Amerika vom 9, Februar 1934 ersehen, wo die mit Sturmesstärke
and einer Temperatur von — 20° die Küste verlassende Kaltluft, nachdem in ihr
vorübergehend der seltene Fall einer Temperaturdifferenz von 25° zwischen Luft-
und Meerestemperatur erreicht wurde, auf Bermuda, also nach Zurücklegen einer
Seestrecke von nur 1000 km, schon mit -4- 10° anlangt. Bei der herrschenden
Windstärke kommt man zu dem Ergebnis, daß die Erwärmung der Polarluft
über dem Golfstrom in der Stunde mindestens 1° betrug, und diese Wärmezufuhr
erfaßt dabei die Luftsäule bis mindestens 6000 m Höhe!
Noch wesentlich rascher geht die Angleichung der Luft- an die Wassertempe-
ratur in Warmluft vor sich, da die von der Meeresoberfläche ausgehende Ab-
kühlung sich bei stabiler Schichtung der
Atmosphäre nur den untersten Schichten
mitteilt. Dies stellt keine neue Erkennt-
nis dar — gerade Bergeron®) hat
darauf seine Forderung nach genauer
Kenntnis der Differenz zwischen Luft-
und Wassertemperatur begründet, da
wenige Zehntel Grade für die Luft-
massenanalyse schon ausschlaggebend
sind — und es wäre nicht nötig, über
diese Tatsache noch Worte zu verlieren,
wenn nicht bei der vielfach zu beob-
achtenden immer stärker hervortreten-
den Beachtung der Bodenwerte von
aktueller und äquivalent- potentieller
Temperatur gerade durch Nichtbeachtung der engen Korrelation zwischen Luft-
und Wassertemperatur häufige Fehlkonstruktionen bei der Auffindung der Fronten
die Folge wären. „Subtropische Luft muß im Sommer bei den Faröern mit einer
Temperatur von mindestens + 15° ankommen, wie sie annähernd auch für Europa
[ür diese Luftmasse repräsentativ ist“, ähnliche Schlußfolgerungen werden viel-
{ach gezogen zum Nachteil der Luftmassenanalyse! In Wirklichkeit kann Warmluft
auf den Faröern immer nur um wenige Zehntel Grad wärmer ankommen als die
dortige Wasserwärme beträgt, und wenn diese im Juni beispielsweise bei 12° liegt,
kann man auch für subtropische Luft keine anderen Temperaturgrade erwarten,
Wenn es dort doch einmal wärmer wird, so handelt es sich stets um eine lokale
Erscheinung, indem bei schwachwindigem Wetter die Inseln und die Thermometer-
hütte überhitzt werden,
Wie rasch in Wirklichkeit die Abkühlung der bodennahen Warmluft über
Kaltwassergebieten vor sich geht, soll im folgenden an einem krassen Beispiel
aus den deutschen Meeresgebieten gezeigt werden, wo dieser Effekt übrigens die
zahlreichen Sommergäste mit in erster Linie anlockt,
£s ist allerdings nicht leicht, einen Fall zu finden, wo bei warmem Sommer-
wetter die Luftströmung 80 stark ist, daß man den Beweis einwandfrei führen
kann, daß auch die Kontinentalluft tatsächlich weit auf See hinaus gelangt und
der Seewind unterdrückt wird. Am 7. Juni 1937 war dies zweifellos über der
Ostsee der Fall, denn es bestand, wie aus vorstehender Abbildung — die die
‘) M. Rodewald: Arktischer Seerauch in subtropischen Breiten, „Der Seewart“, 1937, 8. 86. —
Has 0, 8. 88. — 4) Tor Bergeron: Über die dreidimensional verknüpfende Wetteranalyse, 3. Teil.
Geofysiske Publikasjoner, Vol, V, Nr. 6.
‚J