3.5 Temperatur
System Nordsee
131
die »schwächelnde« Kaltphase nach 1979. Insofern erscheint die Spekulation nicht
ganz abwegig, dass sich die Nordsee seit dem einleitenden Impuls von 1996 in einem
Kaltregime befinden könnte, wenn gleichzeitig in den Sommermonaten ähnlich mariti
me Verhältnisse geherrscht hätten wie 1977 - 1987 (Abb.3-23) oder im Hochsommer
des Jahres 2005. Tatsächlich herrschen jedoch seit 1997 sehr warme Sommer vor, die
möglicherweise mit einer polwärtigen Verschiebung der Hadley-Zirkulation in Verbin
dung stehen (Hu und Fu 2007, Black et al. 2004, Fink et al. 2004) und mit einer be
schleunigten globalen Erwärmung einhergehen (Trenberth et al. 2007).
Zusammenfassend wird festgestellt, dass die Winter- (DJF) und Jahrestemperatur (D
bis N) der Nordsee im Zeitraum 1997-2006 unabhängig vom NAO-Zustand (DJF)
waren. Ursache hierfür sind extreme Warmanomalien, die im Sommer entstanden und
nicht selten bis weit ins Folgejahr andauerten, weil die saisonalen Abkühlungraten
weitgehend normal ausfielen. Insbesondere erwiesen sich die winterlichen Abküh
lungsraten als konsistent mit dem neutralen Mode der NAO. Die hohen Winter- und
Jahrestemperaturen belegen demnach keinen Defekt im NAO-Mechanismus, sondern
zeugen davon, dass die erhebliche sommerliche Erwärmung seit 1997 den gesamten
saisonalen Temperaturgang dominierte. Gleichzeitig müssen in der Vergangenheit
aufgezeigte NAO-gesteuerte Wirkungsketten, in denen beispielsweise ökologische
Prozesse in der Nordsee über NAO-dominierte Temperaturanomalien mit der atmos
phärischen Zirkulation (NAO) verknüpft wurden (z. B. Ottersen et al. 2001, Kröncke
et al. 2007), ihre Gültigkeit verloren haben.
3.5.6 Meereis
Es ist weithin bekannt, dass Auftreten, Wachstum und Schmelze von Meereis ent
scheidend von der örtlichen Lufttemperatur abhängen. Aufgrund starker maritimer
Warmlufttransporte (Abb. 2-11,5.56) lag diese auf Norderney im Januar 2005 mit 5.0 °C
um 2.8 K (1 g) über dem Langzeitmittel (Abb. 2-19,5.72). Auch die Oberflächentempe
ratur der Deutschen Bucht (s. Fußnote, 5.120), die im Winter proportional zum Wärmein
halt ist, war mit 6.1 °C noch erheblich zu warm (1.9 K, 1.3 g, Referenzzeitraum 1971 -
1993). Die im Februar mit häufigen Ostlagen (Abb. 2-7,5.49) einsetzende verstärkte
Abkühlungsphase führte deshalb erst im März (3.4 °C, - 0.5 K, - 0.3 g) zu wenig
mehr als dem vollständigen Abbau dieser Warmanomalie (Abb. 3-17,5.113). Um diese
Zeit ist der Sonnenstand bereits relativ hoch (Abb. 2-18,5.71) und der saisonale Tief
punkt der Lufttemperatur (Abb. 2-19,5.72) durchschritten. Meereis bildete sich aus die
sen Gründen nur in geringen Mengen und an wenigen Tagen der ersten Märzdekade
in einzelnen Häfen und inneren Bereichen der nordfriesischen Küste. Mit einer »flä
chenbezogenen Eisvolumensumme< von 0.03 m war der Eiswinter 2004/05 abermals
»schwache
Der maximale Vereisungsstand ist in deutschen Küstengewässern schlecht definiert,
weil gewöhnlich Frost- und Tauwetterperioden wechseln und keine kontinuierliche Ei
sentwicklung zulassen. Die Bewertung der Eiswinterstärke richtet sich deshalb nach
der mittleren »flächenbezogenen Eisvolumensumme< für 13 Eisklimastationen (Loewe
et al. 2005).
Dieses von Koslowski (1989) eingeführte Maß basiert auf täglichen Beobachtungen
der Eisdicke h und des Bedeckungsgrads N. Da sich N als Verhältnis von tatsächlich
eisbedeckter Fläche A zur durch Eisrand und ggf. Küste begrenzten Eisausdehnung
E auffassen lässt, hat der Begriff »flächenbezogenes Eisvolumen< für das Produkt hN