3.5 Temperatur
System Nordsee
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3.5.4 Regimes: Die Temperatur macht Sprünge
3.5.4.1 Hintergrund
Dass es in geologischen Zeiträumen der Erdgeschichte immer wieder zu abrupten Kli
maveränderungen gekommen ist, wurde beispielsweise durch Analysen von Eisbohr
kernen und marinen Sedimenten belegt und ist weithin bekannt. Weniger verbreitet
hat sich bislang die Tatsache, dass abrupte Veränderungen - und zwar auf allen Zeits
kalen - zum Verhaltensspektrum des nicht-linearen dynamischen Klimasystems ge
hören (Lockwood 2001).
Bis in die 1990er Jahre herrschte die Auffassung vor, dass sich der Klimawandel unter
dem Einfluss natürlicher Prozesse und allmählich ansteigender klimaaktiver Treibh
ausgaskonzentrationen langsam und graduell vollziehen würde (NRC 2002, Alley et
al. 2003). Diese Ansicht spiegelt sich immer noch in der ubiquitären Anwendung line
arer Trendschätzungen oder der Verwendung von >climatological normals<, denen im
plizit die oft unzutreffende Annahme stationärer Mittelwerte zugrunde liegt.
Neuere Forschungsergebnisse zur instrumenteil gut protokollierten Entwicklung des
Klimas der letzten -100 Jahre zeigen, dass es immer wieder zu abrupten, großräumi
gen und drastischen Sprüngen zwischen markant verschiedenen, über Jahre, manch
mal Jahrzehnte stabilen Klimaregimes gekommen ist. Diese Veränderungen sind häu
fig Ausdruck spontan wechselnder Vorlieben großräumiger Oszillatoren (ENSO, PDO,
NAO) des Klimasystems für diesen oder jenen Schwingungszustand und werden
möglicherweise durch mikroskopische Phänomene wie den Lorenz-Schmetterling ge
triggert (Lorenz 1963).
So führte beispielsweise der >great climate shift oft the mid-1970s< (der nebenbei ei
nen starken Aufwärtstrend in der Globaltemperatur einleitete) u. a. in den Meerestem
peraturen der Nordsee und des Nordostpazifik zu inversen abrupten Regimewech
seln, die aufgrund unzureichender Anpassungszeiten und Schwellwertüberschreitun
gen gravierende Veränderungen für die marinen Ökosysteme zur Folge hatten (Hare
und Mantua 2000, Scheffer et al. 2001, King 2005, Weijerman et al. 2005).
Unter dem wachsenden anthropogenen Klimadruck könnten sich solche abrupten
Veränderungen häufen und verstärken oder kaum beherrschbare Ausmaße anneh
men, wie sie beispielsweise beim Zusammenbruch der die Weltmeere umspannenden
thermohalinen Zirkulation oder beim Wegrutschen des westantarktischen Eisschilds
erwartet werden (z. B. www.ipcc.ch).
3.5.4.2 Temperaturregimes
Klimaänderungen können als graduelle Drift in einen neuen Zustand, als Serie von
Schwingungen oder als Sequenz abrupter Regimesprünge zwischen metastabilen
Zuständen in Erscheinung treten. Das Temperaturklima der Nordsee zeichnet sich
durch spontane Wechsel zwischen Kalt- und Warmregimes aus, die sich in intra- bis
interdekadischen Zeitabständen ereignen und in markanten Unterschieden in den
mittleren Regimetemperaturen sichtbar werden (Loewe et al. 2003, 2005, 2006). Die
Entwicklung der Oberflächentemperatur der Nordsee im Zeitraum 1969-2008 illust
riert diesen Sachverhalt (Abb. 3-23), der sich anhand lokaler Zeitreihen bis ins 19. Jahr
hundert nachweisen lässt.
Mit einem linearen Trend von 0.3 ±0.1 K/ Dekade (95% Konfidenzintervall) wird die
tatsächliche Entwicklung der Nordseetemperatur in den zurückliegenden 40 Jahren