3.5 Temperatur
System Nordsee
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legt. Die diesem Zeitpunkt unmittelbar vorausgehenden erheblichen Fluktuationen,
die für dynamische Systeme in der Nähe von Bifurkationspunkten charakteristisch
sind, erscheinen »technisch« als Nachhall des drastischen Regimesprungs von 1987/
88 mit entschiedenen Rücksprungversuchen in ein Kaltregime (1993,1996, Abb. 3-23).
Insofern stellt 1996/97 eher eine Zäsur hinsichtlich der Temperaturschwankungen
bzw. eine Stabilisierung der Temperaturen auf dem hohem Niveau des 1988 begin
nenden Warmregimes dar als einen weiteren Temperatursprung. Dessen ungeachtet
markiert 1996/97 offenbar einen Paradigmenwechsel in der Steuerung des saisonalen
Temperaturzyklus (vgl. Abschnitt3.5.5,S. 126).
Der drastische Temperatursprung von 1987/88 kennzeichnet den am besten belegten
und einschneidendsten Regimewechsel von borealen zu warmen Nordseetemperatu
ren. Mit dem Eintritt ins Warmregime begannen sich eisfreie Winter zu häufen, nahm
der Salzgehalt der Nordsee zu und Sturmfrequenzen und Höchstwasserstände verla
gerten sich vom Herbst in den Winter. Gleichzeitig kam es zu abrupten Veränderungen
auf allen trophischen Ebenen (Plankton, Fisch, Benthos) des Ökosystems Nordsee
(Edwards et al. 2002, Reid und Beaugrand 2002, Alheit et al. 2005, Weijerman
et al. 2005, Schlüter et al. 2008).
Um einen Einblick in die Ursachen des Regimecharakters der Nordseetemperatur zu
gewinnen, ist die regionale atmosphärische Zirkulation auf Unterschiede hinsichtlich
der Windbedingungen im Kalt- (1978- 1987) und Warmregime (1991 -2000) unter
sucht worden (Loewe et al. 2005, 2006). Kennzeichnend für beide Zeiträume ist ein
hybrides Windregime mit entgegengesetzten Eigenschaften im Winter und Sommer.
Die monsunartig alternierenden Eigenschaften sind jedoch im Kalt- und Warmregime
entgegengesetzten Jahreszeiten zugeordnet, so dass der Temperatursprung 1987/88
offenbar aus einem halbjährigen Phasensprung im Windregime resultiert. Die Wirkung
der Windregimes ist dabei eng an den jahreszeitlich entgegengesetzten Temperatur
kontrast zwischen Nordatlantik und europäischem Kontinent gekoppelt. Das für den
Abb. 3-24: Schematik des jährlichen Temperaturgangs (Mittel und saisonale Extrema) für kon
tinentales und maritimes Klima (CON & MAR) sowie kühles und warmes Mischmasch-Kli
ma (MMC/Kaltregime & MMW/ Warmregime).
Fig. 3-24: Sketch of annual temperature swing (mean and seasonal extremes) in continental
and maritime climates (CON & MAR) as well as in cool and warm mishmash-climates
(MMC/cold-regime & MMW/ warm-regime).