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Köppen-Heft der Annalen der Hydrographie usw, 1926,
Klima- und Kulturzonen.
Von Kurt Wegener, Abteilungsvorstand der Deutschen Reewarte a, D., x, Zt. Porto Alegre.
Wer aufmerksam, als Seemann, Kaufmann oder Auswanderer, verschiedene
Klimazonen der Erde besucht, bemerkt, daß von Zone zu Zone auch die Kultur-
anschauung der Menschen sich ändert. Zunächst ist man geneigt, die Ab-
weichungen. mit dem Schlagwort „Rasseunterschied“ abzutun. Aber der Ver-
kehr, der in unsrer Zeit durch Kohle und Petroleum künstlich aufgeschwollen
ist, hat, wie Bastian vor nun schon langer Zeit warnend feststellte, die Rasse-
unterschiede verwischt, Auch sehen wir, daß der Neger und tropische Indianer,
Bewohner der heißen Zone, in gemäßigtes Klima gebracht, sich nach einer Reihe
yon Generationen in nichts, außer durch die Farbe von Haut, Haar und Auge
and sonstige körperliche Rassemerkmale von seinen Mitbürgern unterscheidet,
Ebenso sind die Deutschen Brasiliens, auch soweit sie sich unvermischt erhalten
haben, nach 3—5 Generationen von den neu eingewanderten Deutschen, den
„Deutschländern“, trotz gemeinsamer Abstammung ganz verschieden, Endlich
wird niemand, um auf Deutschland selbst zurückzugreifen, einen Adalbert
ron Chamisso, einen der Deutschesten unter den Dichtern, oder, unter den
Lebenden, einen Arnauld de la Periöre als „Franzosen“ anzusprechen wagen.
Offenbar versagt die „Rasse“ als ordnendes Prinzip.
Wenn aber im folgenden der Versuch gemacht wird, das Klima als ord-
nendes Prinzip zu verwenden, um den Weltwanderer nach Möglichkeit vor Über-
raschung und Enttäuschung in der Fremde zu bewahren, so muß zur Abkürzung
zunächst auf zwei Klimafaktoren hingewiesen werden, durch die die Erschei-
nungen modifiziert werden, und die nicht weiter im einzelnen besprochen werden
sollen, nämlich die Höhe (Gebirge) und den Wind, ;
Steigen wir am Aquator auf einen 3000 m hohen Berg, so finden wir dort
ungefähr eine Temperatur vor, die 15—20° niedriger ist als unten, eine
Temperatur, die wir in etwa 3000 km Breitenentfernung vom Äquator oder
rund auf 30° N oder S, im Meeresniveau wiederfinden würden. Nur würde an
letzterer Stelle eine kräftige jährliche Temperaturschwankung vorhanden sein,
während am Äquator in 3000 m Höhe ewiger Frühling herrscht. Der Mensch
aber findet an beiden Stellen ungefähr die gleichen persönlichen Lebensbedin-
gungen vor. Ein Berg in 30° Süd- oder Nordbreite würde noch stärkeren Aus-
gleich bedeuten, weil hier auch auf dem Berg bereits die Jahresschwankung vor-
handen ist. Im Bereich der Berge, unter dem steten Einfluß der Bevölkerung
derselben, müssen wir also die Kulturauffassung gemäßigterer Breiten erwarten
(Indien, West-Amerika).
In derselben Weise, aber wesentlich schwächer, wirkt regelmäßige kräftige
Brise, die die Verdunstung fördert, den Schweiß also abführt, und hierdurch die
Haut kühlt, die sich in schwüler Windstille vergeblich mit Schweiß bedeckt.
Die vom kräftigen Passat (Stärke 4—7) umspülten kleinen Inseln. der Tropen-
zone des Stillen Ozeans sind dem Menschen bekömmlicher als windstille Gebiete
der Subtropen.
1. Die Tropenzone, In den Tropen beobachten wir überall eingeborene
Menschen, die intellektuell zurückgeblieben sind, und die, wenn sie die Wahl
zwischen einem guten Leben voll Arbeit und einem bedürftigen ohne Arbeit
haben, letzteres vorziehen, In den Tropen hat sich nirgends eine selbständige
Kultur entwickeln können. Was dort, besonders im letzten Jahrhundert, an
Pflanzungskulturen, Städten und Industrie geschaffen wurde, stammt aus
{remdem Arbeitswillen. Die Eingeborenen gemäßigter Breiten altern rasch in
den Tropen und verbrauchen ihren ererbien, mitgebrachten Vorrat an Arbeits-
energie. Ihre Kinder wachsen zwar außerordentlich rasch, aber die Entwicklung
ist mit 15 Jahren bereits abgeschlossen; und Intelligenz und Arbeitswillen des
Geschlechts sind nach wenigen Generationen verkümmert. Tropenärzte raten
daher, die in den Tropen geborenen Kinder mit dem 6, Lebensjahr spätestens
in gemäßigtes Klima zu schaffen und dort bis zur Reife (20, Lebensjahr) zu