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Zusammenfassung
ln Deutschland werden seit über 100 Jahren (seit dem Winter 1896/97) regelmäßige
Eisbeobachtungen durchgeführt. An der Küste der Nordsee (inkl. Nord-Ostsee-Kanal) gibt es zur Zeit
55 Beobachtungsstationen, an der Ostseeküste 78 Stationen. Bis zu 80 Eisbeobachter melden im
Winter täglich in verschlüsselter Form Informationen über die aktuelle Eislage und die
Schifffahrtsverhältnisse in ihren Revieren an den Eisdienst. Diese Meldungen werden aktuell in
Eisberichte und Eiskarten eingearbeitet. Die aufbereiteten Daten werden in einer Datenbank
gespeichert und bilden unter anderem die Grundlage für eisklimatologische Untersuchungen.
Seit dem Winter 1899/1900 werden regelmäßig die Beschreibungen der Eiswinter an den
deutschen Küsten veröffentlicht. Die einheitliche Bearbeitung der Eisbeobachtungen erlaubt den
Vergleich der Eisverhältnisse sowohl in den verschiedenen Jahren als auch in den verschiedenen
Küstenabschnitten und Häfen. Dieses Vorgehen führt zu einer besseren Kenntnis des hydrographi
schen Charakters der deutschen Küsten, was für alle wirtschaftlichen Zweige der Küstenregion und für
die Küstenbevölkerung von großer Bedeutung ist. Außerdem geben die langjährigen Reihen aus
systematischen Beobachtungen an einer Vielzahl von Küstenstationen wertvolle Aufschlüsse über
eventuelle periodische Schwankungen oder Veränderungen des Eisvorkommens.
Im vorliegenden Bericht werden die letzten fünf Eiswinter von 1999/2000 bis 2003/04 beschrieben.
Eine etwas ausführlichere Beschreibung der Eiswinter erfolgt für die deutsch-polnischen
Grenzgebiete, das Stettiner Haff und die Pommersche Bucht. Diese Arbeiten sind im Rahmen des
Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft an den Grenzgewässern (Arbeitsgruppe W1)
entstanden. Ferner werden die Ergebnisse der eisklimatologischen Untersuchungen, die zu
Verbesserung des operativen Eisdienstes führen, überprüft und gegebenenfalls modifiziert.
Die Eiswinter an den deutschen Küsten werden nach dem Wert der flächenbezogenen
Eisvolumensumme (V AI ), einer Maßzahl für die Bewertung des Winters in Hinblick auf den Umfang und
die Stärke der Eisbedeckung sowie auf die Dauer des Eisvorkommens (Koslowski, 1989), klassifiziert.
So gab es im Zeitraum von 1896/97 bis 1998/99 40 milde, 40 mäßige, 11 starke, 8 sehr starke und 4
extrem starke Eiswinter. In den fünf letzten Jahren war der Eiswinter 2002/03 mäßig, die Winter
1999/2000, 2000/01,2001/02 und 2003/04 waren mild. Damit setzte sich die 1998 eingetretene Phase
vorwiegend “eisarmer“ Winter fort. Ähnliche Phasen von ungefähr gleicher Dauer traten auch in den
1930-er und 1990-er Jahren auf. Ihnen folgten dann sehr starke bis extrem starke Eiswinter.
Die Intensität und Dauer von Perioden tiefer Temperaturen (der Winterkälte) wird in der
Meteorologie durch die Winterzahl (W z ) ausgedrückt. Unter bestimmten Voraussetzungen ist die
flächenbezogene Eisvolumensumme mit der Winterzahl sehr eng verbunden. Der empirisch
gefundene Zusammenhang zwischen V AI und W z * basiert auf den Werten der Zeitreihe 1897 bis 1987.
Die Analyse der auf diesen Zeitraum folgenden Winter bestätigte, dass die Stärke des Eiswinters,
ausgedrückt durch V AI , und sein meteorologischer Charakter, ausgedrückt durch die modifizierte
Winterzahl (W z ), in einer sehr guten Übereinstimmung sind.
Die kleineren abgeschlossenen Küstengewässer eignen sich sehr gut für die Untersuchung des
Verhaltens einzelner Eisparameter und insbesondere der Eisdicken. In einer früheren Arbeit
(Schmelzer et al., 1999) wurden die Regressionsgleichungen beschrieben, die das Eiswachstum im
Stettiner Haff bestimmen. Die gefundenen Abhängigkeiten basieren auf den Daten aus den Wintern
1961-1990. Die Untersuchung der Veränderlichkeit des Eiswinterverhaltens im Stettiner Haff in den
letzten Jahren zeigt eine leichte Tendenz zur Abnahme der im Höchststand der Eisentwicklung
erreichten maximalen Eisdicken. Diese Aussage ist auf die Zunahme der eisarmen Winter in den letzten
20 Jahren zurückzuführen. Die maximalen Eisdicken, gemessen in mäßigen oder in starken bis sehr
starken Eiswintern, erreichen heute gleiche Werte wie im Bezugszeitraum.
Durch die Analyse des Eisparameters ‘Anzahl der Tage mit Eis“ werden bestimmte Entwicklungen
im Eisverhalten sichtbar: Im November tritt das Eis im Stettiner Haff selten auf, aber für die letzten 20
Jahre zeigte sich eine leicht steigende Tendenz. Im Dezember wird im Mittel eine gleiche Anzahl der
Tage mit Eis gezählt wie in den Jahren 1961-1990. In den Wintermonaten Januar, Februar und bis
Mitte März ist die Wahrscheinlichkeit des Eisauftretens im Stettiner Haff sehr groß, aber im Vergleich
zu dem Bezugszeitraum ist für die letzten 20 Jahre ein deutlicher negativer Trend zu beobachten. Die
Parallelen in den Trendentwicklungen der Lufttemperatur und des Eisparameters ‘Anzahl der Tage
mit Eis“ zeigen noch einmal deutlich, dass die Eisbildung und Eisentwicklung in kleineren und ruhigen
Gewässern in erster Linie von der Lufttemperatur abhängt. Andere Faktoren spielen hier eine
untergeordnete Rolle.
Trotz der steigenden Tendenz in der Lufttemperatur gab es in den letzten 20 Jahren keinen Winter,
in dem das Stettiner Haff vollkommen eisfrei blieb.