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Full text: 33: Nordsee und Deutsche Bucht 2002

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BSH 
Ozeanographischer Zustandsbericht 
Zeitabschnitt zu ziehen. Der beschriebene Zufallsprozess hat eine hypergeometrische 
Wahrscheinlichkeitsmassenverteilung mit Mittelwert 8 (d.h. 8 rote und 8 blaue Kugeln ist das 
wahrscheinlichste Ergebnis der Ziehung) und Varianz 2.06. 
Die tatsächliche Verteilung der Kugeln in Abb. 2-10 weicht hiervon signifikant ab. Die sehr 
geringe Eintrittswahrscheinlichkeit von lediglich 0.6% ist ein starker Beleg für die Überzu 
fälligkeit (Nichtzufälligkeit) des Ergebnisses 12 warme und 4 kalte Jahre im Zeitraum 1987- 
2002. (Die Lottofee hat offenbar nicht blind gezogen, sondern hat Launen oder Vorlieben und 
gemogelt.) Entsprechende monatliche Rang-Statistiken liefern für Februar, März, und April 
das gleiche Ergebnis wie für die Jahresmitteltemperaturen. Für die Monate September bis 
Januar (ohne Dezember) und Mai entfallen jeweils 11 der 16 Realisierungen auf den roten 
Bereich der Rangskala. Die Eintrittwahrscheinlichkeit von mindestens 11 roten Rängen 
beträgt 4%. 
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der gegenwärtigen Warmphase eine davon deutlich 
unterscheidbare Kaltphase vorausging. Im Beobachtungszeitraum lassen sich bei differen- 
zierterer Betrachtung drei solcher Phasen feststellen, nämlich 1971-1976 (Mittel: 10.1 °C), 
1978-1987 (9.5 °C) und 1989-2001 (10.3 °C). Diese Phasen sind interessanterweise erstens 
durch sehr schroffe Übergänge voneinander getrennt und zweitens praktisch trendfrei. 
Insofern spiegelt ein linearer Trend von 0.9 °C über den Gesamtzeit von 35 Jahren eine gra 
duelle Erwärmung vor, die so nicht stattgefunden hat. Anwendung des T-Tests ergibt mit 
Irrtumswahrscheinlichkeit < 1%, dass die Temperaturen der Kaltphase einer anderen Grund 
gesamtheit entstammen als diejenigen der Warmphasen. Mit anderen Worten: signifikante 
Verschiebungen des Mittelwerts (Klammerwerte) sind mit Phasensprüngen um 1977 und 
1988 assoziiert. Während die Warm- oder Kaltphasen selbst mit längeren Präferenzen der 
NAO für Schwingungen um positive bzw. negative Niveaus einherzugehen scheinen (vgl. 
Abschnitt 2.1.1), könnten die Phasenübergänge mit spontanen Änderungen solcher Vor 
lieben in Verbindung stehen (vgl. dazu Abb. 2-9). Interessanterweise trat der die Kaltperiode 
einleitende Phasensprung um 1977 zeitgleich mit der Annäherung der Great Salinity Ano- 
maly (Dickson et al. 1988) an den europäischen Kontinent auf. 
Um dem Regime-Charakter der Temperaturentwicklung Rechnung zu tragen (und damit eine 
Überbewertung der gegenwärtigen hohen Temperaturen zu vermeiden), erscheint eine Be 
wertung der Anomalien auf Basis einer gemischten (mindestens bimodalen) Wahrschein 
lichkeitsdichteverteilung angezeigt, die aus den quasistationären Temperaturregimes abzu 
leiten wäre. Bei der geplanten Umstellung der Klimatologie auf den Zeitraum 1971-2000 
werden diese Überlegungen Berücksichtigung finden. 
Die Helgoländer Reihe dokumentiert die Temperaturentwicklung in der südöstlichen Nordsee 
über 130 Jahre (vgl. Abschnitt 3.2.2). Sie kann als Proxy für die mittlere Oberflächentempe 
ratur der Nordsee vor 1968 herangezogen werden, denn die Ähnlichkeit beider Zeitreihen im 
gemeinsamen Zeitbereich ist eklatant {Abb. 2-11). Die jüngste Warmphase, die 1989 ein 
setzte, ist demnach die längste und intensivste seit Beginn der Beobachtungen. 
Die Temperaturentwicklung zwischen 1920 und 1940 zeigt einen qualitativ ähnlichen Verlauf 
wie diejenige seit Ende der 1970er Jahre. Über die Frage, ob demnächst (wie in den 
Kriegsjahren) ein Übergang in eine neue Kaltphase stattfinden wird, lässt sich nur speku 
lieren. Dafür sprechen die jetzt schon ungewöhnliche Länge der gegenwärtigen Warmphase, 
Anzeichen für eine zunehmende Präferenz der NAO für ihren negativen Mode, sowie der seit 
der Nachkriegszeit aktive quasi-periodische Zyklus von 8 Jahren, der sein letztes Minimum 
1996 erreichte. Anderseits ist es denkbar, dass ein nachhaltiger Regimeübergang von 
kritischen Parametern abhängt, die im gegenwärtigen Klima nicht mehr dauerhaft erreicht 
bzw. unter- oder überschritten werden können. Ein triviales Analogon ist der an die Meer 
wassergefriertemperatur gebundene Phasenübergang Eis-Wasser, dessen Eintrittswahr 
scheinlichkeit in der südlichen Ostsee in einem Global-Warming Szenarium drastisch redu 
ziert sein dürfte.
	        
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