Die Küste, 59 (1997), 1-26
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eine Modellvalidation (Kap. 3) zur Verfügung. Der Vergleich mit den gemessenen Daten
zeigt, daß alle wesentlichen physikalischen Prozesse, die die Wassertemperatur in Nord- und
Ostsee steuern, im Modell implementiert sind. Die Qualität der Meßdaten reicht teilweise
nicht für eine Bewertung aus. Als am besten geeignet für die vorliegende Untersuchung er
wiesen sich die automatischen Stationen LT 1 Alte Weser und LT Kiel, die stündliche Daten
der Wassertemperatur liefern.
Klimatologisch gesehen, waren die Sommer 1994 und 1995 außergewöhnlich warm. So
war es im Jahr 1994 im gesamten Bundesgebiet zwischen 1 und 2 K zu warm. Die Jahresmit-
tcltemperaturen der bodennahen Atmosphäre wichen in Ostfriesland um 0,7 K, auf den
Nordseeinscln und verbreitet an der Ostsee um 1 K von den vieljährigcn Durchschnittswer
ten ab (Deutscher Wetterdienst, 1994/95). Während die Oberflächentemperaturen der Nord
see im Jahr 1993 weitgehend den Mittelwerten entsprachen (Wf.GNER, 1994), war es in den
Jahren 1994 und 1995 zu warm im Vergleich zum langjährigen Mittel (LÖWE, 1996). Ent
sprechend gering war die Eisbedeckung in den Eiswintern 1993/94 und 1994/95 (STRÜBING,
1994 und 1995). Während des mäßigen Eiswinters 1993/94 bildete sich Eis von Mitte No
vember 1993 bis Anfang Dezember 1993 in der westlichen Ostsee sowie von Februar 1994
bis Anfang März 1994 an der Ost- und Nordseeküstc. Im schwachen Eiswintcr 1994/95 trat
Eis an der deutschen Ostsecküste nur während 2 bis 3 Wochen im Januar auf, die Nord
seeküste blieb weitgehend eisfrei.
Nach einer Modellvalidation mit Meßdaten erschien eine vergleichende Klimatologie
der Wassertemperaturen an der deutschen Küste, abgeleitet aus reinen Modelldatcn, als ge
rechtfertigt. Die Wassertemperaturen an 60 deutschen Küstenorten in stündlichem Abstand
vom 16. September 1993 bis 15. September 1995 wurden für die vorliegende Untersuchung
aus den Modelldaten extrahiert und statistisch ausgewertet (Kap. 4).
2. Physikalische Grundlagen und Modellbeschreibung
In der Nordsee werden der Jahresgang der Wassertemperatur sowie hochfrequentere
Schwankungen durch den lokalen Wärmefluß bestimmt (Becker, 1981; Lane u. Prandle,
1996). Die wesentlichen Komponenten des Gcsamtflusses sind seit langem bekannt und auch
mit Feldexperimenten - z. B. Fladengrund-Experiment (FLEX ’76) - quantifiziert worden.
Für eine Erwärmungsphase in der nördlichen Nordsee wurden Energieflüsse, Temperaturen
und Wärmeinhalte bilanziert (SoETjE u. Huber, 1980).
Sowohl Nord- als auch Ostsee sind thermohalin geschichtet. Es sind ausgeprägte
Sprungschichten zu beobachten, die thermische Sprungschicht entsteht dabei jeweils im
Frühjahr aufgrund zunehmender Sonneneinstrahlung und Lufttemperatur (ToMCZAK u.
GöEDECKE, 1964). Während in der Ostsee die Schichtung der Wassermassen bis in unmittel
bare Küstennähe reicht, sorgen die Gezeitenstromturbulenz und der Wind in der Deutschen
Bucht das ganze Jahr für vertikal homothermale Verhältnisse in flachen Seegcbicten mit Was
sertiefen unter 20 m (BECKER et al., 1992).
Der Wärmefluß an der Erdoberfläche setzt sich zusammen aus der kurz- und langwel
ligen Strahlungsbilanz, aus dem sensiblen Wärmefluß und dem latenten Wärmefluß (Abb. 1).
Ca. 265 W m~ : Solarstrahlung fallen im Jahresmittel auf eine horizontale Fläche in 53 Grad
nördlicher Breite am oberen Rand der Atmosphäre ein (PEIXOTO u. OöRT, 1992). Der pro
zentuale Anteil der einzelnen Wärmeflußkomponenten ist in Abb. 1 angegeben. Unterhalb
1 LT - Lcuchtturtn