2 Atmosphärenphysik
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System Nordsee
Im April 2007 stellte sich in Mitteleuropa erneut ein im Westen und Osten von Tief
druck flankierter persistenter Omegablock ein (Abb.2-18, S.82), der hier strahlungs
bedingt zu ähnlichen Rekordanomalien der Oberflächentemperaturen führte wie die
Omegalage im Juli 2006. Im Einklang mit Hurrels NAO-Index von 2,9, stand die
Nordseeregion im Mai wieder unter dem Einfluss milder Meeresluft aus W. Die üb
liche NE-Ausdehnung des Azorenhochs blieb im Juni aus. Stattdessen herrschte im
Nordmeer anomal hoher Druck, der zunächst in der eigentlichen Nordseeregion eine
persistente NE-Anströmung bedingte (Tab. 2-8, S. 49) und ab der Monatsmitte einer
Tiefdruckrinne zwischen Azoren- und »Islandhoch« Raum bot, die sich von W-lich Ir
land bis ins Baltikum erstreckte (Abb.2-18, S.82). Die unbeständige Witterung setzte
sich im Juli fort, als ähnlich wie im August 2006 ein tiefer Höhentrog über Nordeuro
pa lag, der sich im Meeresniveau der Nordsee als intensive W-Anströmung abbildet
(Abb. 2-19, S.83). Die Troglage dauerte im August und September an und wurde in
dieser Zeit von stark ausgeprägten Hochdruckrücken über dem zentralen Nordatlantik
und Zentralrussland benachbart. Das beim Vordringen nach NE an Stärke zulegende
Azorenhoch führte zur Verschärfung der NW-lich orientierten Frontalzone über der
Nordsee mit entsprechend intensiviertem Einstrom kühler Meeresluft aus NW, wel
cher für den Sommer 2007 insgesamt charakteristisch war (Abb. 2-19, S. 83).
Im Oktober 2007 kam es zur hochreichenden Vereinigung des mit Kern über dem
Rheindelta liegenden Subtropenhochs (Abb. 2-20, S. 84) mit dem ausgedehnten eu-
rasischem Hochdruckgebiet über Zentralrussland. Das dauerhaft milde Hochdruck
wetter führte zu einer leichten Verstärkung der Nordseeoberflächentemperaturano
malie, die seit Juli mit 0,5 K auf dem gleichen Niveau gelegen hatte wie diejenige im
Nordostatlantik (Reynolds und Xue 2008). Die ungewöhnliche NW-Anströmung im
November ging mit der Rückkehr des bereits im August und September beobachteten
Zirkulationsmusters einher. Im Dezember entsprach die Zirkulation großräumig und
über der Nordsee der Klimatologie und war durch einen moderat positiven Mode der
NAO gekennzeichnet (Hurrel: 0,9, Osborn: 1,4).
Vorstehend wurden die wesentlichen Abweichungen der atmosphärischen Zirkula
tionsmuster in den Jahren 2006 und 2007 von den klimatologischen Verhältnissen
herausgearbeitet. Die Intensität der Zirkulation und Zirkulationsanomalien ließ sich
anhand der jeweiligen Druckverteilungen nur visuell abschätzen. Da sich hybride und
wirbelhafte Zirkulationsmuster auf monatlichen und längeren Zeitskalen tendenziell
herausmitteln, sind die Verteilungsmuster maßgeblich durch den Windindex bestimmt.
Einen effizienten, quantitativen Zugang eröffnet die nachfolgend präsentierte Analyse
des geostrophischen >Nordseewindes<, der in direkt proportionaler Beziehung zum
Druckgradienten steht.