2.3 Wetterlagen
System Nordsee
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k = {1,2, ...} die jeweils nötige Anzahl von Bernoulliversuchen bis zum Eintreten des
Abbruchereignisses bedeutet. Die Sterbewahrscheinlichkeit p ergibt sich schlicht als
Kehrwert zum Erwartungswert der Lebensdauer E(L), der bereits weiter oben für den
Zeitraum 1971 -2000 mit 2,02 Tagen abgeschätzt wurde (vgl. Tab. 2-10). Somit liegt
der Lebensdauerverteilung der anonymen Wetterlage eine faire oder echte Münze
zugrunde (p = 0,5). Von 100 Episoden erreichen 50, 25, 12,5 ... ein Lebensalter von
1,2, 3 ...Tagen.
Wie aus Tab. 2-10 unmittelbar hervorgeht, haben manche Wetterlagen größeres »Ta
lent«, im Spiel zu bleiben, als andere. Jede von ihnen spielt offenbar mit eigener
Falschmünze (p*0,5), oder - was dem tatsächlichen Hergang näherkommt - mit
eigenem manipulierten Würfel, dessen Flächen jeweils den 6 Wetterlagen zugeordnet
sind. Das Abbruchereignis wird dabei realisiert, sobald der Würfel eine andere als die
eigene Seite zeigt. Um welche Seite es sich tatsächlich handelt, ist allenfalls insofern
von Belang, als es den nächsten Spieler bestimmt. Was zählt, sind auch hier die
dichotomen Ereignisse Sterben und Überleben, so dass die Eintrittswahrscheinlich
keiten für die 5 Abbruchergebnisse nicht im Einzelnen, sondern lediglich in Summa
Relevanz haben. Die wetterlagenspezifische Sterbewahrscheinlichkeit p ist der Kehr
wert der in Zeile 7100 der Tab. 2-10 angegebenen mittleren Lebensdauer.
Zur Einschätzung der Brauchbarkeit der so festgelegten individuellen Geometrischen
Verteilungen wurde für jede Wetterlage eine sog. P(robability)-P(robability)-Graphik
erstellt (Abb.2-7). Die anhand der Stichprobe (1971 -2000) zu den Lauflängen k er
mittelten Überlebensprozentsätze der Episoden sind darin gegen die theoretischen
Überlebenswahrscheinlichkeiten aufgetragen, die sich aus der Überlebensfunktion
S(L>k;p) = 1 -CDF = (1 -p) k , dem Komplement der Geometrischen Verteilungs
funktion (CDF), ergeben. Die laterale Position eines Fadenkreuzes entspricht dem
nach der k-ten Potenz von 1 - p, wobei der höchste Wert zu k = 1 gehört und den Pro
zentsatz der Episoden angibt, die theoretisch ein Mindestalter von 2 Tagen erreichen.
(Natürlich erreichen alle Episoden (S = 1) ein Mindestalter von 1 Tag, welches für den
Bruchtteil p das Höchstalter darstellt.) Bei perfekter Übereinstimmung von Theorie und
Beobachtung würden offensichtlich sämtliche Wertepaare auf der Diagonalen y = x zu
liegen kommen. Tatsächlich reichen 90 - 98% der Episoden mit Lebensdauern bis zu
5-7 Tagen recht nahe an dieses Ideal heran.
Die schlechteste Übereinstimmung ergibt sich für lange antizyklonale Episoden (A),
die mit weiter zunehmendem Alter einen wachsenden Hang zur Langlebigkeit entwi
ckeln und gewissermaßen vergessen, zu sterben. Diese Art von »Gedächtnislosig-
keit« steht natürlich im Widerspruch zu derjenigen, die der Geometrischen Verteilung
zugrunde liegt. Ursache hierfür sind vermutlich persistente Blockierungen, die den
gewöhnlichen Wetterwechsel u. U. wochenlang durcheinanderbringen. Das in ähnli
cher Weise abweichende Verhalten alter NW-Episoden steht mutmaßlich ebenfalls
mit (antizyklonalen) Blockierungen im Zusammenhang, die dazu eine mindestens
zeitweilig gegenüber der Nordseeregion dezentrale, nach SW verschobene Lage ein
nehmen müssten. Als beispielhafte Belege für derartige Situationen, die durchaus ein
langsames Hin- und Herwabern des Hochdruckzentrums zwischen beiden Positionen
beinhalten können, lassen sich die Perioden 28. Mai - 11. Jun. 2006 (Tab. 2-6, S. 48),
25. Jan. - 5. Feb. oder 24. Aug. - 15. Sep. 2007 anführen (Tab. 2-8, S. 49).