Vorwort
Die Nordsee ist attraktiver Erholungsraum für Millionen,
Lebensraum für den Fisch auf unserem Teller, liefert
Rohstoffe wie Öl und Gas, dient als Verkehrsweg für die
Schifffahrt und bietet Raum zur Erzeugung regenera
tiver Energien durch Wind, Wellen und Gezeiten. Gleich
zeitig soll die Nordsee mit den Abfallprodukten, Abwas
sern und Abgasen unserer Zivilisation zurechtkommen
und Klimaveränderungen verkraften.
Zwischen Juli 2006 und Juni 2007 war die Nordsee so warm wie in keinem Kalen
derjahr seit Beginn unserer Analysen. Diese Periode setzte mit einer europaweiten
Hitzewelle ein, bescherte uns im Herbst und Winter an 53 Tagen Sturm und endete
mit einem Sommer im Frühjahr. Zu den »Begleiterscheinungen« zählten die 9. Aller
heiligenflut mit erheblichen Dünenabbrüchen oder die Freakwelle, die die Messplatt
form Fino I in 15 m Höhe demolierte. Die Temperatur der Nordsee lag durchgängig
2 Grad, die der Deutschen Bucht sogar fast 3 Grad über dem Klimamittel. Gleich
zeitig war die Nordhemisphäre mit »nur« 0.8 Grad über dem Mittel des 20. Jahrhun
derts wärmer als in den vergangenen 130 Jahren. Wie sich dies weiterentwickelt und
auf Schifffahrt, Küste und Meer auswirkt, ist Gegenstand unserer Untersuchungen.
Auch die chemische Belastung des Lebensraums Nordsee verändert sich. Nähr
stoffeinträge aus industrieller Landwirtschaft und Verkehrsemissionen beeinflussen
die Lebensbedingungen mariner Organismen. Künstlich hergestellte Verbindungen,
die es nie in der Umwelt gab, werden heute in deutlich messbaren Konzentrationen
im Meer nachgewiesen. Hierzu zählen in großem Maßstab produzierte Industrie
chemikalien - wie perfluorierte Tenside zur Imprägnierung von Sport- und Freizeit
bekleidung - über deren langfristige Wirkung in der belebten Natur wir bislang
nichts wissen.
Den Schutz der Nordsee zu gewährleisten und gleichzeitig eine nachhaltige Nut
zung zu ermöglichen, ist ein Ziel des BSH - ebenso wie der europäischen Meeres
strategierahmenrichtlinie (MSRL). Die notwendigen Bedingungen zu definieren,
umzusetzen und zu überwachen ist ein iterativer Prozess mit vielen Beteiligten.
Dazu messen, analysieren, dokumentieren und interpretieren wir die Klima- und
Umweltvariablen, die Zustand und Entwicklung des Systems Nordsee bestimmen
und dessen Nutzung beeinflussen. Dies dient einem wachsenden, wissenschaftlich
fundierten Systemverständnis, das an der Basis einer sinnvollen, effizienten und
wirksamen Umsetzung der MSRL stehen muss.
Sie sind herzlich eingeladen, sich »unser« Wissen anzueignen.
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Monika Breuch-Moritz
Präsidentin des
Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie