3.5 Temperatur
System Nordsee
155
3.5.5 Zusammenfassung
Das Jahresmittel der Nordseeoberflächentemperatur lag in beiden Jahren auf der erst
mals 2002 erreichten Rekordhöhe von 11,0 °C. Die mittlere Temperatur für die Zeit
spanne von Juli 2006 bis Juni 2007 übertraf diesen Höchstwert nochmals um 0,6 K
und lag damit um 3,7 Standardabweichungen über dem klimatologischen Jahresmittel
der Basisperiode 1971 - 1993 von 9,9 °C. Innerhalb dieser extremen Warmphase, die
für die Nordhemisphäre die wärmste 12-monatige Periode seit mindestens 130 Jahren
darstellt, vollzog sich der jahreszeitliche Temperaturgang auf einem nahezu beständig
um 1,7 K - in der Deutschen Bucht sogar um 2,7 K - über der Klimatologie liegenden
Niveau. Auslöser der Warmanomalie war eine europaweite Hitzewelle im Juli 2006. Ihr
langlebiges Fortbestehen war Ergebnis verfestigender, teils intensivierender Fakto
ren, von denen die starke S-liche Anströmungskomponente ab September, das extre
me Sturmaufkommen von Oktober bis März, die außergewöhnlich hohe Einstrahlung
im April bei beständigem Hochdruck und ein sommerartig schwachwindiges Frühjahr
2007 besonders nennenswerten Einfluss ausübten.
Nach einem insbesondere in den östlichen Seegebieten tendenziell zu kalten Früh
jahr wurde während der Gesamtaufnahme der Nordsee im August 2006 eine außer
gewöhnlich warme Deckschicht vorgefunden, die jedoch von so geringer Mächtigkeit
war, dass Wärmeinhalt (1,520 x 10 21 J) und Volumentemperatur (10,4 °C) ähnlich
gering ausfielen wie zuletzt im August 2002. Im Unterschied hierzu wurden im Au
gust 2007 eine sehr mächtige Deckschicht und gleichzeitig annähernd normale Ober
flächentemperaturen angetroffen. Bezogen auf mittlere Schichtungsverhältnisse des
vergangenen Jahrzehnts waren die Temperaturen oberhalb 20 m um 1 - 2 K zu kalt,
diejenigen im Tiefenbereich 20-40 m entsprechend zu warm. Im Vergleich mit den
Verhältnissen im August 2006 verschärft sich dieser Kontrast auf 2 - 3 K.
Die Tiefenverteilung der Temperatur in der Deutschen Bucht wurde anhand von Daten
der Dauermessstationen >NSB lll< und >EMS< des MARNET-Netzwerks dokumentiert.
Bei der wenig außerhalb des ganzjährig durchmischten flachen Küstenwassers lie
genden Station >EMS< waren insbesondere im Frühjahr alternierende Phasen von
Stratifizierung und Erosion zu beobachten. Diese waren an strahlungsintensive und
gleichzeitig windschwache bzw. strahlungsarme und windstarke Episoden oder Ereig
nisse gebunden, die mit einer Entkopplung bzw. Überschneidung des windinduzierten
Turbulenzregimes mit der Gezeitenstromturbulenz der Bodenschicht einhergingen.
Unter praktisch gleichen meteorologischen Konditionen konnte sich bei der tieferen
und geringeren Gezeitenströmen ausgesetzten Station >NSB lll< eine ab Anfang Juni
2006 beständige Schichtung mit scharfer Thermokline im 15-20 m Tiefenbereich
ausbilden, die im Verlauf des von Tiefdruckstörungen geprägten August nur allmäh
lich erodierte.
Im Winter 2005/06 bildete sich Meereis trotz der im Prinzip günstigen schwachen Zo
nalzirkulation erst Ende Januar und fast ausschließlich an der nordfriesischen Küste.
Der als >schwach< klassifizierte Eiswinter dauerte bei Eisdicken von 5 - 20 cm knapp
eine Woche an. Im Winter 2006/07 blieb die Deutsche Nordseeküste vollständig eis
frei. Die unter verstärkter Zonalzirkulation geringen Abkühlungsraten reichten erst
recht nicht hin, um den zu Winterbeginn erneut sehr hohen Wärmeinhalt des Meer
wassers der Deutschen Bucht deutlich vor Durchschreiten des saisonalen Minimums
im Februar abzubauen.