Atmosphärenphysik
System Nordsee
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nicht davon, auf welch verschlungenen Pfaden auch immer der aktuelle Zustand er
reicht worden ist. Bemerkenswert ist ferner, dass die vorliegende MK für stochastische
Vorhersagezeiträume von einer Woche gegen eine eindeutige, vom Anfangszustand
unabhängige, stationäre Grenzverteilung konvergiert, die mit der klimatologischen
Häufigkeitsverteilung der Wetterlagen übereinstimmt. Die schnelle Degeneration des
Vorhersagepotentials auf das klimatologische Niveau und die Markovsche Eigen
schaft der Gedächtnislosigkeit - gleichbedeutend mit der ausschließlichen Abhängig
keit der Zukunft von der Gegenwart - bilden beachtliche Parallelen zur numerischen
Wettervorhersage mit physikbasierten Modellen.
Die starke Erhaltungsneigung macht die Persistenzvorhersage Morgen-wie-Heute mit
Eintrittswahrscheinlichkeiten zwischen 39 (NENE) und 59% (AA) zur bestmöglichen.
Von im Mittel etwa 2 Tage andauernden Stagnationsperioden abgesehen, besteht
die wahrscheinlichste Wetterlagenabfolge für beliebige Anfangszustände (außer SE &
NE) in der periodischen Sequenz A-SW-C-NW-A, welche das regionstypische Durch
ziehen von Tiefdruckstörungen beschreibt, denen Zwischenhochs vorausgehen und
folgen. Die seltenen Wetterlagen SE und NE sind ebenso wie ihre Cousins (SW & NW)
am häufigsten in Sequenzen A-SE-C bzw. C-NE-A eingebunden. Die wechselweisen
Übergänge CoA, NEoSW, und NWoSE werden von heute auf morgen nur selten
oder gar nicht realisiert.
Im Vergleich zur Klimatologie traten die Richtungswetterlagen NW und SW im Jahr
2006 wesentlich seltener bzw. häufiger ein, wobei diese Abweichungen hauptsächlich
durch geringere bzw. häufigere Selbstübergänge und speziell das seltene (1) bzw.
hohe Vorkommen (7) von langlebigen Episoden (> 5 Tage) zustande gekommen sind.
Im Jahr 2007 lagen bzgl. NW und SW praktisch inverse Verhältnisse vor. Zusätzlich
traten NE-Lagen aus gleichem Grunde erheblich häufiger ein, während SE-Lagen
insgesamt, hinsichtlich der Selbstübergänge, aber auch hinsichtlich der echten Über
gänge zu anderen Wetterlagen auf die Hälfte zurückfielen. Die Anzahl aller Wetterla
genepisoden - oder gleichbedeutend die Gesamthäufigkeiten der echten Wetterla
genwechsel - unterlagen nur geringen Schwankungen (s. o.). Dieses Ergebnis trifft
anscheinend auch weitgehend auf die Episodenanzahl individueller Wetterlagen zu,
so dass Anomalien im Gesamtvorkommen der einzelnen Wetterlagen vor allem Ano
malien im Vorkommen langlebiger Episoden widerspiegeln. Im Unterschied zum Jahr
2006 reduzierte sich der periodische Zyklus im Jahr 2007 auf die Abfolge A-SW-NW-
A. Dieser war zudem wenig stabil, denn die Übergänge ASW und ANW ereigneten
sich nahezu gleich oft, was ebenso auf die Übergänge SWNW und SWC zutrifft. Die
Ursachen hierfür wurden anhand der reduzierten Wetterlagenkalender erläutert.
Luftdruckverteilung (S. 68ff.)
Luftdruckverteilungen im mittleren Meeresniveau (MSLP) repräsentieren die großska-
lige atmosphärische Zirkulation im Nordseeraum, denn sie implizieren die geostrophi-
sche Vektorwindverteilung an der Oberfläche.
Der grundsätzliche klimatologische Jahresgang ist durch eine kräftige SW-liche An
strömung im Herbst und Winter charakterisiert, die sich im Frühjahr abschwächt, im
Frühsommer auf eine NW-Strömung umstellt und schließlich unter Rückdrehung auf
W und Intensivierung wieder in den Herbstmodus übergeht. Dieser Ablauf ergibt sich
aus der jahreszeitlich wechselnden Dominanz von Islandtief und Azorenhoch und ist
an die meridionale Verlagerung der Frontalzone um etwa 10 Breitengrade gekoppelt.
Diese geht mit der Abschwächung des Islandtiefs und NE-Ausdehnung des Azoren-