3 Meeresphysik
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System Nordsee
3.1 Einführung
<•> P. Loewe&H. Klein • •
Die Nordsee ist ein flaches Schelfmeer, das über die enge Straße von Dover im Süd
westen und eine weite Öffnung im Norden mit dem Nordatlantik verbunden ist. Die
komplexen hydrographischen Verhältnisse sind einerseits durch den Einstrom salz
reichen Atlantikwassers, andererseits durch erhebliche Süßwasserzuflüsse und den
Einstrom salzarmen Ostseewassers über das Kattegat und das Skagerrak bedingt. In
der geographischen Salzgehaltsverteilung, die relativ geringen jahreszeitlichen Ände
rungen unterliegt, bildet sich die mittlere zyklonale Nordseezirkulation ab.
Während die gesamte Nordsee in der kalten Jahreszeit vertikal durchmischt ist, bildet
sich im Sommerhalbjahr in weiten Seegebieten, in denen sich die am Meeresbo
den erzeugte Gezeitenstromturbulenz nicht bis in die winddurchmischte Oberflächen
schicht auswirkt, eine thermische Schichtung aus. Im Übergangsbereich zwischen
Oberflächen- und Bodenschicht werden starke vertikale Temperaturgradienten beob
achtet. Tiefe und Ausprägung dieser Temperatursprungschicht bilden in der »Vegetati
onsperiode« wichtige Randbedingungen für biogeochemische Prozesse, die oberhalb
(Produktion von Biomasse) und unterhalb der sperrenden Sprungschicht (Abbau)
komplementärer Natur sind.
Das BSH erfasst über sein marines Umweltmessnetz >MARNET< mit 6 Messstationen
in der Deutschen Bucht, über eine Vielzahl von Küsten- und Hochseepegeln und Eis
beobachtungsstationen, aber auch durch Nutzung der Fernerkundung für den Nord
seezustand relevante Messdaten. Unverzichtbar für die interdisziplinäre Interpretation
und Bewertung ist die schiffsgebundene räumliche Umweltüberwachung, bei der viele
physikalische und chemische (auch biologische) Variablen gleichzeitig an identischen
Positionen bestimmt werden. Zentrale Bedeutung kommt dabei der seit 1998 in den
Sommermonaten zum Zeitpunkt maximaler Schichtung durchgeführten Beprobung
der gesamten Nordsee zu. Durch solche quasi-synoptischen und systematischen Be
obachtungen wird eine Datenbasis geschaffen, die nicht nur die raumzeitlichen Ver
änderungen des Nordseezustands dokumentiert und interpretierbar macht, sondern
auch für die Validierung hydrodynamischer und ökologischer Modelle Relevanz hat.
Für die Jahre 2006 und 2007 werden die Besonderheiten der wesentlichen ozea-
nographischen Zustandsvariablen - nämlich Strömung, Temperatur und Salzgehalt -
dokumentiert und eingeordnet. Ferner werden Seegangs- und Meereisverhältnisse,
aber auch integrale Zustandsgrößen wie Volumentransporte durch ausgewählte Quer
schnitte in der Nordsee und Zirkulationsmuster in der Deutschen Bucht behandelt.
Großer Wert wird dabei stets auf prozessorientierte Interpretationen gelegt, indem
ursächliche Zusammenhänge sowohl zwischen den diversen ozeanographischen Zu
standsanomalien selbst, als auch mit externen Anomalien des atmosphärischen Zu
stands aufgezeigt werden. Auch die Ausführungen zu Wasserstandsschwankungen,
Gezeiten, Windstau und Sturmfluten an der deutschen Nordseeküste zielen auf ein
systemisches Verständnis ab.