2 Atmosphärenphysik
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System Nordsee
2.7 Lufttemperatur und Strahlung
Die Eigenschaften des atmosphärischen Zustands unterliegen den Änderungen der
großräumigen Zirkulation, aber auch der lokalen Wechselwirkung mit der Meeres
oberfläche. Im Hinblick auf ein Verständnis ozeanographischer Zustandsänderungen
sind neben Kenntnissen des Windantriebs solche der Energieflüsse an der Grenzflä
che Atmosphäre - Meer von Bedeutung. Die lokale Wassertemperatur ergibt sich bei
spielsweise aus der Strahlungsbilanz und den fühlbaren und latenten Wärmeflüssen
(wenn advektive Prozesse vernachlässigbar sind). Letztere sind in hohem Maße von
Windgeschwindigkeit und Lufttemperatur abhängig.
Eine wichtige Komponente der Oberflächenenergiebilanz ist die Globalstrahlung, d. h.
die Summe der direkten und diffusen Sonneneinstrahlung. Messungen der Global
strahlung und der Lufttemperatur werden vom Deutschen Wetterdienst auf Norder
ney durchgeführt und freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Der Jahresgang der
Globalstrahlung auf Norderney ist für 2006 und 2007 in Abb. 2-26 gemeinsam mit der
Klimatologie des Zeitraums 1971 -2000 dargestellt.
Nennenswerte Abweichungen vom »normalen« Verlauf ergaben sich für die Sonnen
einstrahlung im Jahr 2006 lediglich in den Sommermonaten. Strahlungsüberschüsse
kamen dabei durch stabile Hochdruckwetterlagen bis Mitte Juni bzw. ab der 2. Juli
dekade zustande (Tab. 2-1, 5. 44). A-Häufigkeiten auf der Schwelle zum (Juni) bzw.
jenseits des 90% Perzentils (Juli) belegen deren Persistenz (Abb. 2-5, S. 53), die sich
auch in den monatlichen Luftdruckfeldern ausprägte (z. B. Abb. 2-15,5.79). Während
die Strahlungsflussdichte im Juli mit 269 Wm -2 den klimatologischen Mittelwert um
1,9 Standardabweichungen oder 53 Wm -2 übertraf, fiel sie im August mit 154 Wm -2
um -1,5 Standardabweichungen oder -31 Wm -2 geringer aus. Dieses Einbrechen
der Globalstrahlung im Hochsommer war Folge einer Vielzahl transienter zyklonaler
Störungen, die sich in einer Rekordhäufung der C-Wetterlagen spiegelt, welche mit
15 Tagen das Maximum des Referenzzeitraums deutlich überstieg (Abb. 2-5, 5.53).
Nach dieser unbeständigen Witterungsphase geriet die Nordsee Anfang September
erneut unter Hochdruckeinfluss, der meist mit einer SE-Anströmung trockenwarmer
Festlandsluft einherging (Tab. 2-6, 5.48). Der resultierende Strahlungsüberschuss
betrug im September 14 Wm -2 und lag um 1,1 Standardabweichungen über dem Kli
manormal von 119 Wm -2 (Abb. 2-26).
Abgesehen von moderaten Strahlungsdefiziten im Mai und Juni des Jahres 2007, sind
allein die Überschüsse im März und April bemerkenswert (Abb. 2-26). Letztere lagen
mit 2,1/2,2 Standardabweichungen bzw. 27/44 Wm -2 erheblich über den Mittelwerten
von 99 und 166Wm -2 . Im März dürften günstige Einstrahlungsbedingungen insbe
sondere in der 2. Dekade sowie zum Monatsende hin bei SE-licher Anströmung und
hohem Druck über Mittelschweden Vorgelegen haben (Tab. 2-3, 5.45). Das Surplus
im April lässt sich eindeutig auf das für diesen Monat untypische, beständige Hoch
druckwetter zurückführen (Abb. 2-5,5.53), das sich im Mittel als ausgedehnte Antizy
klone mit Kern über England manifestierte (Abb. 2-18,5.82). Zwar haben im Oktober
2007 ähnlich gute atmosphärische Bedingungen bestanden (Abb. 2-20, 5.84) und
auch zu einem Strahlungsüberschuss (7 Wm -2 ) geführt; naturgemäß sind die mögli
chen Überschüsse zu dieser Jahreszeit jedoch energetisch unbedeutend (Abb. 2-26).
Anhand von Abb. 2-27 ist ein Vergleich der Lufttemperaturentwicklung in den Jahren
2006 und 2007 mit dem klimatologischen Jahresgang möglich. Die soeben disku
tierten Einstrahlungsanomalien spiegeln sich in entsprechenden Auslenkungen der