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Wir gewinnen danach im Allgemeinen das Bild einer Fluthwelle, welche
aus dem Ocean eintretend sich auf den Golf von Tongkin zu fortbewegt und
(vielleicht hervorgerufen durch Interferenz transversal mitschwingender Reflcxious-
wellen) bei ihrer Ausbreitung im tiefen Becken der nördlichen China-See eine
sehr schnelle Abnahme der halbtäglichen, dagegen Zunahme der täglichen
Periode erfährt.
Die für einzelne Orte veröffentlichten Beobachtungsdaten haben haupt
sächlich den rein praktischen Zweck im Auge gehabt: die Zeit und Höhe des
höchsten und niedrigsten Wassers für jeden Tag im Voraus fest
zustellen.
Diese Daten lassen für die Untersuchung des ganzen Verlaufs bedeutende
LückeD, denn es bleibt ungewifs, welche geringen Hebungen und Senkungen als
unwesentlich aufser Betracht geblieben sind. Aus solchen Zusammenstellungen
kann man zwischen wirklich eintäglich auftretenden Fluthen und grofsen täg
lichen Ungleichheiten keine Grenze finden. Die halbstündlich augcstellten
Pegelbeobachtungen deutscher Kriegsschiffe bei den Paracel - Inseln und bei
Pack hoi tragen daher wesentlich zur Aufhellung des Verlaufs dieser Gezeiten bei.
Wenn man mehrere Tage lang Wasserstandsbeobachtungen in so kurzen
Zwischenräumen regelmäfsig angestellt hat, dafs sich eine fortlaufende Kurve
für den Verlauf von Ebbe und Fluth entwerfen läfst, so kann man diese Kurve
durch ein einfaches Verfahren nach dem A T organge des Grafen Pourtales so
behandeln, dafs die tägliche Periode von der halbtäglichen getrennt zur An
schauung gebracht wird. 1 )
Das Pourtales’sche Verfahren wurde bei den vorliegenden Beobachtungen
in folgender Weise zur Ausführung gebracht. Es waren Tabellen angefertigt,
in welchen der Wasserstaud für jede halbe Stunde nach der Kulmination des
Mondes (mittlere Ortszeit) eingetragen war, und zwar getrennt für obere und
für untere Kulmination, so dafs jede Reihe die Ordinaten eines halbon Mond
tages enthielt.
Diese Ordinaten waren bezogen für jedeu ganzen Mondtag auf das Mittel
wasser dieses einen Tages. Es wmrden nun immer die Ordinaten eines halben
Mondtages unterer Kulmination mit den darauf folgenden eines halben Mond
tages oberer Kulmination kombinirt und die halben Summen als die Ordinaten
der halbtäglichen Fluthwelle angenommen. Diese Ordinaten der halbtäglicbcn
Fluthwelle von denen der beobachteten Wasserstände abgezogen, ei’gab die
tägliche Welle (Kurve der täglichen Ungleichheit). Aus je einem positiven und
dem darauf folgenden negativen Maximum wurde die Amplitude für jeden Tag
erhalten. Auf diese Weise sind die folgenden beiden Tabellen entstanden:
erreicht das höchste Niedrigwasser fast dieselbe Höhe wie die beiden Hochwasser, zwischen denen
es liegt; es kann stattfinden, dafs man in vierundzwanzig Stunden nur ein Niedrigwasser und ein
Hochwasser beobachtet“.
Für den Crtwfo//-FIufs findet sich wiederholt die ungenaue Bemerkung, dafs bei Nipjtzi'it zu
weilen nur ein Hoch- und ein Niedrigwasser auftritt. Bei Whampoa scheinen wegen der Trocken
docks die besten Beobachtungen gemacht zu sein. „Im März steigen Tag- und Nachtfluth zu der
selben Höhe. Von April bis Oktober sind die Tagfluthen die höheren, von November bis Februar
die niederen.“ „China Sea Directory“, III, 1874.
*) Die Trennung der Fluthkurven von Fimne in 12stündige und 24stündige ist von Stahl-
berger in ähnlicher Weise ausgeführt. Pourtales wendete das Verfahren graphisch an, indem er
die Fluthkurven zweier halben Mondstage übereinandersehob und die Ordinaten des Zwischenraums
zwischen beiden abrnafs.