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hatte, dafs der vermuthete Rauch kolossal verbreitert mit rasender Geschwindig
keit auf uns loskam. Kaum gewann ich Zeit, das Fernrohr in die Glaskuppel
zu stellen und wieder hinaus zu eileD, als ich, höchstens 3—4 Minuten nach
dem ersten Bemerken der Wolke, eine noch nie gesehene mächtige braunrothe
Staubmasse auf mich losstürzen sah; Sudenburg und Stadtfeld, Vorstädte Magde
burgs, waren jetzt schon total unsichtbar. 2 h 10'" uud vielleicht einige Se
kunden traf der erste gewaltige Windstofs die Wetterwarte, welcher mich auf
der Gallerie fast gegen das Gitter schleuderte; der Thurm erbebte unterdessen
Wucht und bog sich förmlich ab, ich glaube, dafs er 3Zoll aus der Vertikalen
bewegt worden ist; ein ea 10 Fufs langes, 7 Pfund schweres Pendel machte
Ausschläge von 3 Zoll nach jeder Seite des Ruhepunktes. Die Windstärke war
im ersten Stofse wenigstens 11 zu neunen, ln einigen Sekunden war die ganze
Umgebung verschwunden; im Hause, in der Nachbarschaft klirrten Fenster
scheiben und Dachziegel; Holzjalousicn eines Nachbarhauses wurden hoch empor
geschleudert; Bäume wurden umgeworfen und viele Menschen beschädigt. Die
Böe währte mit wenig veränderter Stärke (10) ea 5 Minuten, ging dann mit im
Zenith aufklarendem Himmel für 2 Minuten auf Stärke 7 herab, um dann noch
einmal mit Stärke 10 stofsweise bis 2 h 32 ro zu weben. Es war auf der Gallerie
nur mit grofser Anstrengung möglich, festen Fufs zu fassen; kleine Steine von
über Erbsengröfse flogen uns ins Gesicht. Nach 3 Uhr erfolgte noch einmal
starke Zunahme der Windstärke bis Stärke 9—10. Elektrische Entladungen
kamen während der Böe nicht vor; nach der Böe blieb das Wetter trübe und
kühlte schnell erheblich ab (2 h p. m. 24,3°, 8 h p. m. 17,9°); von 2 h 18™ au fiel
Regen in grofsen Tropfen, jedoch wenig, während der Böe selbst kein Tropfen;
vorher war um l h 30“ etwas Regen gefallen.
Nach Ausweis des Barogramms fiel der Ausbruch der Böe mit einer
phänomenalen Zunahme des Luftdruckes zusammen, denn das Barometer stieg
in 20 Minuten um 1,8mm. Die einzelnen Phasen der Böe spiegeln sich vor
trefflich in dem Barogramm wieder: der erste Nachlafs nach 5 Minuten mit
kurzem Intervall, der zweite längere Nachlafs von 2 11 32“ an, die erneuto Zu
nahme nach 3 Uhr; leider sind über die feineren Verhältnisse des Phänomens
zur Zeit der um 3 h 20'“ wiederum stark fallenden Barograinm-Kurve keine Beob
achtungen gemacht worden.
Bei der hohen Lago unserer Wetterwarte läfst sich ziemlich annähernd
der Ort der ersten Sichtbarkeit jener erwähnten mächtigen Staubwolke be
stimmen; er lag sicherlich hinter dem Kirchthurm des Dorfes Klein-Rodensleben,
dessen Entfernung ca 9—10 km beträgt; 4 Minuten als zwischenliegende Zeit
angonommeu würde eine Geschwindigkeit von etwa 36m pro Sekunde ergeben.“
Südlich von Magdeburg fehlen uns ähnlich genaue Beschreibungen des
Auftretens der Böe; es scheint dieselbe dort auch weniger ausgeprägt gewesen
zu sein und sich aus den übrigen Gewittern, welche diese Gegenden am gleichen
Tage durchzogen, nicht sehr hervorgehoben zu haben.
Die obigen Schilderungen und eine Reihe ähnlicher aus Orten, wo die
Böe etwas früher oder später auftrat, zeigen aber, wie auf der weiten Strecke
zwischen Lübeck und Magdeburg dieser Gewittersturm gleichzeitig in sehr ähn
licher Weise auftrat: als orkanmäfsiger Windstofs aus südwestlicher Richtung
von kaum 10 Minuten Dauer, der durch das Heraufziehen, bei schwachem oder
mäfsigem südlichem Winde, einer sehr schweren Wolke mit tief niederhängendem
rothgelbem vorderem Rande und das Heransausen einer dichten Staubwolke
unter derselben eingeleitet wurde. Niederschlag, zum Theil sehr starker, in
der Form von Regen oder Hagel trat an einigen Orten gleich hinter dor ersten
Staubwolke, während des Orkans auf, an anderen erst nachdem sich dieser
gelegt hatte.
4. Chronologie, Verlauf und räumliche Verhältnisse des Gewittersturmes
vom 9. August 1881.
a) Material und Untersuchungsmethode. Ueber die Gewitter und
Wiudstöfse vom 9. August liegen mir mehr oder minder genaue Zeitangaben
von etwa 400 Punkten aus Centraleuropa vor, und zwar für die grofse Gewitter
böe und deren südliches Anhängsel allein solche von weit über 200 Punkten,