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Wolfgang Schubert : Zur deutschen Kolonialfrage.
Wenn wir all diese Dinge zusammenfassend betrachten, kommen wir zu dem Schluß, daß
Afrika der lebensnotwendige Ergänzungsraum für Europa ist. Afrika ist die euro
päische Aufgabe, von deren Lösung unsere Zukunft abhängt.
Bei unseren bisherigen Betrachtungen haben wir einen Faktor außer acht gelassen, der
einer näheren Betrachtung bedarf, nämlich: Kann der Deutsche, der Nordeuropäer, das tro
pische und subtropische Klima Afrikas ertragen, wird er seine volle geistige und körperliche
Arbeitskraft bewahren, und wird er sich im weitesten Sinne des Wortes akklimatisieren
können?
Bis zu einem gewissen Grade ist diese Frage beantwortet, und zwar im bejahenden Sinne
durch die Kriege, die weiße Menschen in Afrika geführt haben. So wie deutsche, italienische
und englische Truppen jetzt in Nordafrika kämpfen und sich an das Wüstenklima gewöhnen
müssen, so haben die Kämpfer in Deutsch-Südwest-Afrika aushalten müssen und hat Lettow-
Vorbeck 4 Jahre hindurch seine kleine Truppe durch die Wälder, Sümpfe und Hochländer
Deutsch-Ostafrikas geführt, ohne zu kapitulieren, weder vor dem Feind noch vor den
Schwierigkeiten des Klimas und des Landes. Freilich wurden auch hier wie bei jeder Akkli
matisation Opfer gefordert, aber diese sind nirgends auf der Welt zu vermeiden.
Solange die Erde besteht, befindet sie sich in fortwährender Entwicklung und Veränderung
und treten dauernd Klimaschwankungen auf. Solange der Mensch auf Erden wandelt, hat er
sich seit vorgeschichtlicher Zeit Klimaschwankungen anpassen müssen.
Man nimmt an. daß der Mensch ein Produkt der Tropen gewesen ist. Die heute in den
gemäßigten Zonen angebauten Kulturpflanzen hatten einst ihre Heimat in den warmen Län
dern. Die Banane, der Maniok und später der Reis und Weizen gelten als die ältesten
Kulturpflanzen cles Menschen.
Von den Germanen wissen wir, daß sie, wenn sie durch Übervölkerung oder Klimaver
schlechterung dazu gezwungen wurden, ihr Heimatland, das mit dem einzig dastehenden nord
westeuropäischen Klima ausgestattet war. verlassen und Neuland suchen mußten. Beim Be
treten eines fremden Landes mußten sie sich zugleich an ein fremdes Klima gewöhnen, sofern
sie nicht untergehen wollten. Sicherlich hat auch dieser Vorgang erhebliche Opfer gekostet.
Aus der Geschichte der letzten dreitausend Jahve können wir ersehen, daß der Germane an
scheinend jedes andere irgendwie geartete Klima überwand, daß er sidi aber nidit überall
dauernd hat behaupten können, sei es infolge unüberwindbarer Krankheiten in jenen Ländern,
sei es aus rassischen, politischen oder wirtschaftlidien Gründen.
Wie steht es nun mit dem Klima in Afrika?
Wir haben in den äquatorialen Ländern, soweit sie nidit Hodiländer sind, ein reines
Tropenklima, und zwar das heiß-feuchte Klima des Regenwaldes, der sich von der Westküste
bis fast zum Viktoria-See erstredct. Im Norden und Süden des Regenwaldgebietes schließen
sich Gebiete mit Savannenklima an, das im wesentlichen durdi zwei Trockenzeiten gekenn
zeichnet ist. In der Sahara und in Südwestafrika folgen dann Gebiete mit Halbwüsten- und
Wüstenklima. Die weit ausgedehnten Hochländer Abessiniens und Ostafrikas, die Tafelländer
zwischen Kongo und Sambesi, insbesondere die Lundaschwelle, besitzen zwar ein dem Sa
vannenklima ähnliches, erhalten aber durdi ihre Meereshöhe — von durchschnittlich über 1000
Metern — eine kühlere Jahreszeit mit Mitteltemperaturen von 8° bis 18°. Große Räume dieser
Hodiländer bieten vom klimatologischen Standpunkt aus die Möglidikeit für eine europäisdie
Kolonisation.
Selbst in bezug auf das feucht-warme Tropenklima stellt O. Fischer (Wien) in einem
Aufsatz über sozialbiologische Fragen überseeischer deutscher Volksgruppen an die Spitze
aller weiteren Erörterungen die grundlegende Erkenntnis, daß die tropenbedingten Schä
digungen der Gesundheit nicht — oder, wenn wir uns ganz vorsichtig ausdrlicken wollen,
doch nur in sehr geringem Ausmaß als unmittelbare Klimawirkung anzusehen sind. Sie haben