13
Joachim B Ui tilgen: Geographie der winterlichen Kaltlufteinbrüche in Europa.
amerika, daß W. mir zwei anstatt vier Hauptluftkörper unterscheidet: tropisch und polar. Diese
vermögen dafür bei der Nähe winterlich kalter, nach Süden geöffneter Kontinentalffächen und
äquatorial warmer Meeresteile in den südlichen Staaten der USA. Temperaturstürze von großer
Schärfe hervorzurufen (bis zu 40 C in 24 Stunden nach Wilief t !). War schon die ältere me
teorologische Arbeitsrichtung der Amerikaner in stärkerem Maße dynamisch eingestellt (Loo-
niis) — die C'olcl Waves -wurden so z. B. schon frühzeitig behandelt —. so hat sich das auch bis
in die Jetztzeit nicht geändert. Die Ursache dafür ist wohl zum Teil darin zu suchen, daß Nord
amerika einen viel großzügigeren, einheitlicheren Kliinaablauf bietet als das viel gegliederte
Europa. Kaltlufteinbrüche sind in Nordamerika viel ausgeprägter und im wesentlichen gleich
artig, während wir in Europa, wie wir sehen werden, mehrere Typen aussondern können, die
nur selten solche Ausmaße erreichen, daß ein Vergleich mit den Northers angebradit ist.
Die Literatur über die n o r cl a in erikanis c h e n K a 11.1 u f t e i n b r ti che. also clie Nor
thers und Blizzards, ist ziemlich umfangreich und z. T. schon älteren Datums (Cox, Henry
u. a.). Wir haben es hierbei mit einem Vorgang zu tun, der sich vom äußersten Norden cles Kon
tinents bis in die äquatoriale Zone mit fortschreitender Veränderung seines Erscheinungsbildes
einstellen kann. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn in den meisten Arbeiten darüber eine
Begrenzung des Kaltlufteinbruches durch eine bestimmte Isotherme nicht gegeben wird“), viel
mehr clie Isallothermen und die gesamte Wetterwirksam keif (Windsprung, Niederschläge) zur
Kennzeichnung herangezogen werden. Es ist methodisch nicht uninteressant, daß gerade geo
graphische Beiträge zum Problem der Northers häufiger sind. In A r erfolg der Studien über clie
Instabilitätsfaktoren, die aus der Schule von K. S appe r und F. Termer stammen, behandelte
O. Link (1934) die nordamerikanischen Kältewellen. Die vornehmlich kompilatorische und in
ihrer Problemstellung beziehungswissenschaftliche Arbeit vermittelt durch ihre umfangreiche
Literaturzusammenstellung einen Begriff von der großen Zahl der Beiträge zur Frage der
nordamerikanischen Kältewellen. In jüngster Zeit hat sie L. W a i b e 1 (1938) erneut behandelt,
und von rein meteorologischer Seite ist der Beitrag Externbrinks zu erwähnen (1937).
Trotz der somit vorhandenen großen Fülle an Arbeiten über diese Kaltluftvorstöße läßt sich
aus ihr für die hier zur Diskussion stehenden europäischen Verhältnisse keine geeignete
Methode entnehmen.
Die Vielfalt der europäischen Kalt.luftströme und die Gliederung cles Gebietes
haben dazu geführt (Ekh art, 1933. S. 285). daß Kaltlufteinbrüche nur selten aus diesem Bereich
behandelt wurden, und wenn, dann nur von Meteorologen. Von diesen verstreuten Beiträgen
sind die von Ekhart (1933 [a], 1933 [b], 1938) und Reichel ) (1930. 1931 |a], 1931 fbj) zu nennen.
An Hand eines Nordwestlufteinbruches, bei dem ganz besondere stratosphärische Verhältnisse
mitsprachen, konnte ersterer zeigen, daß auch in Europa durchaus Kaltlufteinbrüche eines Aus
maßes Vorkommen können, das räumlich gesehen an clie amerikanischen ebenso wie an die von
v. F i c k e r behandelten asiatischen heranreicht. Freilich kommen solche Vorstöße, clie von Island
bis zum Irak zu verfolgen sind, äußerst selten vor. Bei diesem Beispiel ist bezeichnend, daß
die tatsächlichen Temperaturen überhaupt nicht zur Sprache kommen, dagegen Äquivalent
temperatur, Isallothermen und -baren herangezogen werden.
Wir sehen, daß trotz der Anregung, welche clie Bergen er Meteorologen in die klimatolo-
gische Methodik brachten, eine umfassende Behandlung komplexer, einheitlicher Vorgänge im
Luftraum Europas, wie z. ß. der Kaltluftvorstöße, noch nicht stattgefunden hat. Dagegen müssen
wir uns noch mit klimatologischen Darstellungsmethoden befassen, clie sich gewissermaßen
parallel dazu bewegen und ebenfalls ein komplexes Erfassen zum Ziele haben. So stellte in
diesem Sinne K u znetzo w - U gamski (1933. S. 26 t) fest: „Especially the task of climatology
is the study of atmospheric processes developed near the surface of the earth-crust. It is not an
atmospheric process per se, but a very peculiar climatic process which is a result of the dyna-
*) Mit Ausnahme von H e n r y (1906, S. 35 ff.). Nach B r o n k s u. S c hell (1939) wird jetzt z. B. in Neu-Eng]and
eine ..Gold wave“ mit einem Temperaturfall von mind. 20° F in 24 Stunden auf mind. 10° F oder darunter definiert.
7 ) Reiche] behandelt allerdings Kälte p e r i o d e n , keine -einbriiehe in unserem Sinne, und seine Unter
suchungen über Nord- und Mitteldeutschland sind eher als eine statistische, auf ein Element bezogene Mittelwert
klimatologie aufzufassen, gewissermaßen eine Statistik des Frostes.