19
Dr. Heinz Wichmann: Über die Bedeutung des Blitjes im elektrischen Mechanismus des Gewitters.
Ist die Gleichgewichtsstörung sehr schnell und stark, so kann der Vorgang auch sehr kompliziert werden
und der Ausgleich möglicherweise nach mehreren Richtungen, zugleich als Wolken- und Erdblitj erfolgen; Re
gistrierungen wie E. 20 und E. 30 (Abb. 8) machen dies wahrscheinlich
interessant in diesem Zusammenhang ist ebenfalls die während der Registrierung eines Gewitters oft
gemachte Beobachtung, daß wenige Sekunden, bevor eine neue Feldstörung registriert wird, die Registrier
kapillare unruhig wird. Ein Beispiel gibt hier die sdion erwähnte Registrierung B. 53 (Abb. 8). Es werden
dauernd Versuche zu einer Aufladung unternommen, die aber zuerst erfolglos bleiben, bis sie endlich, wenn
auch nur langsam, nach einer etwas stärkeren Aufladungsschwankung in mehreren Etappen zustande kommt.
Die Hauptentladungen können erst ziemlich zum Schluß einsetjcn und das Gleichgewicht wiederherstellen.
Dieser Vorgang würde dadurch zu erklären sein, daß die den störenden Faktoren zur Verfügung stehenden
Energien abgenommen haben, wie dies schon unter C III erwähnt wurde. In diesem Fall kann das Gleich
gewicht nicht mehr schlagartig gestört werden, und selbst eine größere Aufladungsschwankung, wie der weitere
Verlauf der Registrierung B. 53 zeigt, braucht jetjt keine endgültige Störung des Ladungsgleichgewichts mehr
zur Folge zu haben.
Diese Darstellung gibt meines Erachtens eine brauchbare Erklärung für das nach den bisherigen Feld
messungen ziemlich unmotivierte, plötjliche Einsetjen einer Blitjentladung, indem gezeigt wird, daß der erste
Ausschlag mit dem eigentlichen Blitj noch gar nichts zu tun hat und möglicherweise sogar ohne Blitj existieren
kann, der Blitj somit nicht eine Störung des Gleichgewichts, sondern entgegen den bisherigen Annahmen der
Hauptfaktor in der Wiederherstellung desselben ist. Der Blitj spielt somit im elektrischen Mechanismus des
Gewitters die Rolle eines das Gleichgewicht wiederherstellenden Vorgangs, indem er plötjlich einsetjende Auf
ladungsvorgänge, deren Entstehung noch nicht endgültig geklärt werden konnte, ausgleicht und damit einen
mittleren Ladungszustand, das sogenannte Ladungsgleichgewicht, erhält.
Ein Vergleich dieser vom Verfasser ausgeführten Messungen mit solchen durch Kathodenstrahloszillo
graphen gleichzeitig aufgenommen, unter langsamer Vergrößerung der Zeitskala, wird sicher weitere Fort
schritte in diesen Fragen bringen und gleichzeitig die Lücke schließen, die sich zwischen den Messungen von
C. T. R. Wilson [1] und den von M. H. Norinder [26] bei Gewittern erhaltenen, nur sehr kurze Zeiträume
umfassenden frequenzabhängigen Kathodenstrahloszillogrammen aufgetan hat.
Zum Schluß bleibt mir die angenehme Pflicht, Herrn Professor Dr. P. Raethjen (Meteorolog. Institut,
Hamburg) für seine Anregungen und das meinen Arbeiten entgegengebrachte Interesse zu danken.
Desgleichen spreche ich den Herren Prof. Dr. B. Walter (Physikalisches Staatsinstitut, Hamburg) und
Dr. C. Kuhlmann (Technische Staatslehranstalten, Hamburg) für ihre wohlwollende Unterstütjung meinen
Dank aus.