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Full text: 58, 1938

Dr. Heinz Vichmann: Über die Bedeutung des Blitzes im elektrischen Mechanismus des Gewitters. 17 
hat. Da sie außerdem auf den Potentialgradienten alle in gleichem Sinne wirken, hat es aucli keinen Zweck, 
aus den hier mitgeteilten Messungen eine endgültige Entscheidung für oder wider einen dieser drei Punkte 
zu fällen. 
Weiterhin kann aber gesagt werden, daß durch neuere kolloidmeteorologische Forschungen, wie z. B. 
von W. Findeisen [20], neue Erklärungsmöglichkeiten gegeben sind; denn es hat sich herausgestellt, daß hei 
der plötzlichen Niederschlagsbildung, die ja bekanntlich mit zu den Haupterscheinungen eines Gewitters zählt, 
sehr wahrscheinlich noch eine Reihe bisher unbekannter mikrophysikalischer Vorgänge mitwirken, die sich 
wegen ihrer oft instabilen Art in äußerst rasch verlaufenden Aggregatzustandsänderungen des Niederschlag 
bildenden Wasserdampfs äußern, was Kapazitätsänderungen nach Punkt 2 gleichkommt. Ebenso scheinen 
sich, neben einer Bestätigung der Simpson-Theorie, noch Wege für sehr schnelle Elektrizitätserzeugung 
aufzuzeigen, die bisher unbekannt waren, während andererseits diese Ergebnisse gegen die Wilson-Theorie 
starke Bedenken aufkommen lassen. 
Eine einwandfreie Beweisführung für das Zustandekommen des bei den Messungen festgestellten sehr 
schnellen Aufladungsvorganges, ist daher im Augenblick noch nicht möglich. Es bleibt daher nur eine Ver 
mutung, wenn wir diese schlagartige Umwandlung mechanischer Energie in elektrische als Folge eines raschen 
Zusammenwirkens instabiler Vorgänge ansehen, sowohl solcher thermodynamischer Art als auch mikro 
physikalischer Art, wie Instabilität von Aggregatszuständen des Wasserdampfes — die sog. kolloidale In 
stabilität der Wolken —, und besonders die Instabilität von Regentropfen in der Gewitterwolke, die sich mit 
dem Lenard-Effekt nach Simpson sicher nicht erschöpft, wie dies in neuerer Zeit angestellte Experimente 
von D. Nukijama und H. Noto [21], [22] sowie von J. J. Nolan [23], [24] und W. A. Macky [25] beweisen. 
Wir müssen daher die in den Messungen festgestellte plötzliche Aufladung unmittelbar vor einem Blitz 
vorläufig als eine Tatsache hinnehmen, deren Existenz zwar als solche allein schon in dem Gegensa^ von 
allgemein sehr geringen elektrischen Feldern in der Gewitterwolke und der wirklich eintretenden Stoß 
ionisation begründet liegt, auf deren Vorhandensein aber weiterhin auch aus den vorliegenden Messungen 
und durch Nachweis von kurzen, schnell einsetzenden Steigerungen des Potentialgradienten in der Gewitter 
wolke geschlossen werden kann, wie diese durch Simpson und Scrase an Hand der Funkenbildung an den 
Elektroden ihrer Höhenelektrographen festgestellt worden sind. 
Ein indirekter Beweis, daß es sich um eine Aufladung handelt, kann schließlich auch noch aus den Ver 
suchen gezogen werden, die T. E. Allibone und J. M. Meek [14] mit langen Funken angestellt haben. Ihre 
Feststellung, daß eine Abnahme der Anstiegsgeschwindigkeit der Spannung der Hochspannungselektrode 
einer Abnahme der „leailer“-Geschwindigkeit bis zum Übergang zu dem bei Blitjentladungen allgemein 
festgestellten „stepped-leader“, d. h. einer Abnahme der Schnelligkeit der Ausbildung des Funken, gleich 
kommt, ist nämlich genau identisch mit der bei vorliegenden Messungen gemachten Erfahrung, daß der bei 
gewissen Blitjen festgestellte langsamere Aufladungsvorgang mit einer langsameren Ausbildung desselben 
parallel läuft. 
III. Der Blitj als ein das Ladungsgleichgewicht wiederherstellender Vorgang. 
Durch die neue Einführung eines schnellen Aufladungsvorganges in den elektrischen Mechanismus des 
Gewitters, der bisher immer mit einer durch einen Blitz hervorgerufenen Störung des Feldes identifiziert 
wurde, muß auch dem letzteren eine neue Rangordnung zugeteilt werden. Es soll daher in folgendem ein 
Versuch gemacht werden, auf Grund der Elektrizitätsverteilung in der Gewitterwolke nach Simpson und 
Scrase und Ergebnissen der vorliegenden Feldmessungen, diesem Problem näherzukommen. 
Unter Annahme der wirksamen positiven Ladung am Grunde der Wolke zu 20 Coul. und einer mittleren 
Höhe derselben von 1.7 km (Simpson), lassen sich die wirksamen Kräfte zwischen dieser und ihrer Influcnz- 
ladung (Elektr. Bild) nach dem Coulombsdien Gesetjberechnen: Die positive Ladung von 20 Coul. und ihre 
negative Influenzladung ziehen sich danach mit einer Kraft von der Größenordnung 40 Tonnen an. Es ist 
dabei die Annahme gemacht, daß die Ladung kugelförmig angeordnet und ihre Ausdehnung im Vergleich zu 
ihrem Abstand vom Erdboden gering ist, was nicht immer der Fall sein wird, wenngleich es sich wahrscheinlich 
um eine verhältnismäßig kleine konzentrierte Ladung handelt. Ebenfalls kann der Abstand der Ladung vom 
Erdboden bei den Sommergewittern größer sein als der angenommene Mittelwert. Desgleichen kann die Größe 
der Ladung zu hoch angenommen sein, was einzelne Forscher auf Grund von Kathodenstrahloszillogrammcn
	        
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