14
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums. — 58. Bd. Nr. 10.
Anschauung, daß die bisherige Vorstellung unrichtig ist, die annimmt, der Blitz bewirke eine plötzliche Störung
des schon längere Zeit bestehenden Feldes, wie es z. B. C. T. R. Wilson [2] eindeutig ausspricht. Dieser
bisher allgemein eingenommene Standpunkt, daß es sich sozusagen um einen langsam aufgeladenen Konden
sator handelt, der dann in einzelnen Etappen entladen wird, läßt sich aus den Feldregistrierungen nicht
herleiten. Die tatsächlich plötzlich beginnende Feldstörung, nämlich der erste Einsatz des Aufladungsvorganges,
den bereits H. Heinze [9] gefunden hat, muß anderweitig erklärt werden, wie es weiter unten versucht wird.
Der Blitj als solcher ist nach den vorliegenden Messungen aber nicht nur nicht die Ursache einer Störung,
sondern vielmehr der Hauptfaktor, der das gestörte Gleichgewicht des Feldes wiederherstellt, und damit
eine Erscheinung, die erst durch den plötzlichen, meist positiven, sog. Aufladungsvorgang hervorgerufen wird.
Während C. T. R. Wilson den Blitz »och sozusagen als Ursache der Felclstörung ansieht, müssen wir ihn
zwar auch als Teil derselben ansehen, aber gerade als den abklingenden Teil der Feldstörung, der das
Gleichgewicht wieder herstellt, wofür Wilson bisher die nachfolgende Neuaufladung der Wolke verantwort
lich macht.
D. Allgemeine Diskussion der Ergebnisse.
I. Das Vorzeichen der Entladung.
In den bisherigen Darlegungen ist auf das Vorzeichen der Feldschwankungen nur gelegentlich ein
gegangen worden, und zwar einerseits, weil dieses nicht immer ganz eindeutig ist, z. B. nicht, wenn es sich
um Entladungen zwischen Wolkenteilen handelt, andererseits aber, weil bereits von anderen Forschern
hierüber genügend Material zusammengetragen worden ist.
Betrachten wir jetzt die früheren Ergebnisse unter den neuen Gesichtspunkten, so läßt sich aus der oben
nachgewiesenen Tatsache, daß außer von Heinze niemals die wirkliche Entladung, sondern immer nur die
Störung entgegengesetzten Vorzeichens, die „Aufladung“ gemessen worden ist, schließen, daß wir in bezug
auf das Vorzeichen gerade das Gegenteil von dem von den früheren Beobachtern aus ihren Meßergebnissen
gezogenen Schlüssen anzunehmen haben. Da nun die bisherigen Messungen ein Überwiegen der Entladungen,
welche negative Elektrizität von der Wolke zur Erde befördern, im Verhältnis > 1.5 : 1 ergaben, so müssen
wir also jetzt schließen, daß bei Blitzschlägen überwiegend positive Elektrizität von der Wolke zur Erde,
bzw. negative im umgekehrten Sinne fließt, der wirksame Wolkenteil als nicht negativ, sondern vorwiegend
positiv geladen ist.
Von großer Wichtigkeit ist nun eine Betrachtung der Untersuchungen, die sich mit dem viel um
strittenen Problem der Bestimmung des Vorzeichens einer Blitz entlad ung aus ihrer optischen Erscheinung,
insbesondere der Verzweigung beschäftigen.
Nahezu alle Blitzaufnahmen, die eine Verzweigung der Entladung erkennen lassen, zeigen eine solche in
Richtung Wolke-—-Erde.
Die Versuche mit künstlichen Funken, wie sie zuerst von Walter [5] und später von Simpson [6] aus
geführt wurden, zeigen nun, daß diese Verzweigung hier ganz vorwiegend vom positiven Pol der Funken
bahn ausgeht, und somit die Wolke bei fast allen Blitzentladungen positiv geladen sein mußte, was aber nicht
mit den Feldmessungen in Einklang zu bringen war.
Durch weitere Versuche mit Stoß Spannungen von 10 6 Volt und besonderen Elektrodenformen, haben
dann B. F. J. Schonland und T. E. Allibone [7] auch Verzweigung vom negativen Pol her festgestellt, wobei
diese aber gleichzeitig vom positiven Pol her weit reicher war, so daß ein solcher Funkenüherschlag wenig
Ähnlichkeit mit einem Blitz batte.
Aufnahmen von Blitzen mit gleichzeitigen Feldregistrierungen von Jensen [8] ergaben dann, daß 85 %
der Entladungen zwischen Wolke und Erde, die abwärts gerichtete Verzweigung zeigten, mit positiven Feld
schwankungen verbunden waren und somit nach der herrschenden Anschauung auf negativ geladene Wolken
hin wiesen.