Dr. Joachim Blüthgen: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens
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Verhältnisse, namentlich zu Beginn der Vereisung, während der Schluß nur ganz wenige Tage früher liegt. Vor
herrschend ist bei weitem leichtes bzw. starkes Festeis. Nur 1922/23 traten hauptsächlich Eisarten auf, die dem
Winter ein unruhiges Gepräge geben: leichtes Treibeis, schweres Treibeis, zusammengeschobenes Eis, Packeis. Auch
die beiden milden Winter (1924/25 und 1929/30), in denen wegen der geringen Eismenge unruhige Eisverhältnisse
natürlich gewesen wären (vgl. Kotka 1929/30), sind ohne solche Störungen verlaufen. Vorherrschend war in diesen
Wintern leichtes Eis. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie noch extremer ausgebildet sind, den übrigen Wintern
gegenüber, als bei den östlicheren Stationen.
Ein weiteres Kennzeichen, das Helsinki in bezug auf die Eisverhältnisse von den östlicheren Stationen
unterscheidet, ist das häufige Auftreten von Vorperioden. Erstmalig treten sogar auch Nacheisperioden auf (von
Osten aus gerechnet). Diese Eigenart steht im Zusammenhang mit der weiteren Milderung der Eisverhältnisse,
gegenüber den östlicheren Stationen. Die nicht so intensive Eisbildung beim ersten eiswirksamen Frost vermag
die zeitliche Überbrückung milden Wetters nicht mehr zu schaffen, die Kontinuität reißt ab. Damit stimmt auch
überein, daß während der Hauptvereisung mildere Witterungsperioden sich derart bemerkbar machen, daß eine
Veränderung der Eisverhältnisse auch während des Hochwinters eintreten kann. Diese Tatsache ist für die Cha
rakterisierung einzelner Eisgebiete von großer Wichtigkeit (vgl. Abschnitt X, 2). Erstmalig tritt in Helsinki, von
Osten aus gerechnet, bereits in einem Winter der Fall ein, wo die Vereisung so weit aufgelöst ist, daß eine beson
dere Hauptvereisung dem Charakter des Eises nach nicht ausgeschieden werden kann. Es handelt sich hier zwar
nur um den einen milden Winter 1929/30, aber grundsätzlich bedeutet diese Erscheinung ebenfalls einen Unter
scheidungsfaktor anderen Vereisungsgebieten gegenüber.
Im folgenden sei zunächst die Parallelität zwischen Witterungs-, insbesondere Temperaturverlauf und Ver
eisungsgang für die einzelnen Winter untersucht. Während bei Wiborg und Kotka die Temperaturangaben von
Leningrad bzw. Helsinki herangezogen werden mußten, demnach also lokale Abweichungen unberücksichtigt blie
ben, decken sich in diesem Falle Temperatur- und Eisangaben örtlich, so daß den Untersuchungen hier höhere Be
weiskraft zukommt.
1922/23 begann die Eisbildung während der vierten Frostperiode. Zu bemerken ist, daß diese vier Frost
perioden eng aufeinander folgten (Ende November bis 8. Dezember). Am 20. Dezember geriet das Eis, das in
zwischen noch wieder Tauwetter zu überdauern hatte, vorübergehend ins Treiben, wurde aber bei dem einsetzenden
Frost wieder fest. Bei südwestlichen, später südöstlichen Winden trat am 28. Dezember schweres Eistreiben auf,
das nach einigen Tagen leichtere Formen annahm und schließlich bei ruhiger Wetterlage Anfang Januar in leichtes
Eis überging. SSW-Winde verursachten am 10. 1. zusammengeschobenes Eis, das lange anhielt, obwohl der Wind
später auf andere, vorwiegend südöstliche Richtungen sprang. Erst das Auftreten westlicher bis nördlicher Winde
Ende Januar brachte das Eis wieder zum Treiben, das sich bei zunehmendem Frost noch verstärkte und allmählich
festkam (5. 2.). Vorwiegend östliche bis südöstliche, aber schwache Winde bedingten die Bildung von Packeis,
das den Hochwinter über unverändert blieb. Erst mit beginnendem Tauwetter Anfang April geriet das schwere
Eis ins Treiben, wurde aber bei stillem Wetter ohne Frost am 7. 4. ruhig, um am 5. 5. bei nordöstlichen Winden
in Packeis überzugehen. Diese Erscheinung ist nicht recht klar, denn die Winde waren an sich ablandig. Ver
mutlich lag das Eis weiter draußen noch fest. — Der folgende Winter (1923/24) zeigte Anfang Dezember die erste
Eisbildung, die zur Zeit der zweiten Frostperiode eintrat. Während des Tauwetters Mitte Dezember blieb das Eis
erhalten. Gegen Schluß der Vereisung verursachten kalte Ostwinde Ende April zusammengeschobenes Eis, das
Anfang Mai bei ansteigenden Temperaturen zerfiel und verschwand. — 1924/25 zeigte ähnliche Vereisungsver
hältnisse wie in Kotka, nur daß die Vereisung noch etwas später einsetzte und erst bei zunächst leichterem Frost
zwei Voreisperioden auftraten, bis mit Temperaturen unter —10° Anfang bis Mitte März eine kurze Hauptver
eisung entstand, die mit dem Aufhören des Frostes am 18. 3. in leichtes Eis ausklang. Am 9. 4. verschwand das
letzte lose Eis. — Der längste Winter mit den Extremen des Eisbeginns und des Endes für die zehn Berichtsjahre
folgte 1925/26. Nach drei vorläufigen Frostperioden im Oktober—November setzte die Eisbildung Ende Novem
ber ein, kam aber noch zum Verschwinden, um darauf verstärkt einzusetzen und den ganzen Winter über unver
ändert anzudauern. Inwieweit ein Vorkommen leichten Eises in einer Nacheisperiode auf selbständiger Bildung
durch späten Frost oder auf Drift aus anderen Eisgebieten beruhte, ist nicht genau zu entscheiden; letzteres ist
wahrscheinlicher. — Das erste Eis trat 1926/27 mit den ersten Tieftemperaturen ein (Anfang Dezember unter
—10°), verschwand wieder, und mit dem scharfen Frost Mitte Dezember begann die Hauptvereisung. Mitte Februar
bedingte eine Wärmeperiode, die bereits Anfang Februar auftrat, eine Schwächung des Eises, was auch in den Eis
angaben zum Ausdruck kommt (leichtes Festeis vom 11.—21. 2.). Das frühe Ansteigen der Temperaturen im
März bedingte ein frühzeitiges Verschwinden des Eises, obwohl Ende März noch einmal Frost eintrat. Am 21. 4.
war alles eisfrei. — Im Winter 1927/28 begann die Eisbildung, ebenso, wie vielfach in vorhergehenden Wintern,