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Full text: 55, 1936

A. Wedemeyer: Winkeltreue Kartennetzc in elementarer Behandlung 
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Der Unterricht in der Kartographie soll den Schülern (Offizieren, Technikern, Karto* 
graphen, Geographen) die Kenntnis der Kartennetze übermitteln, so daß sie fähig sind, 
aus den bekannten Netzen das für einen bestimmten Zweck beste Netz selbst auszusuchen 
und zu entwerfen. Dieser Aufgabe wird der Unterricht selten gerecht, da Lehrer und 
Lehrbücher die Kartographie als einen Zweig der mathematischen Abbildungslehre be« 
trachten, die eine Oberfläche auf eine andere abbildet. Dementsprechend stellen die 
Lehrer an das Auffassungsvermögen der Schüler Anforderungen, die diese nach ihrer 
Vorbildung nicht erfüllen können. Sie fordern entweder Kenntnis der Körperlehre oder 
der Infinitesimalrechnung und lehren die geometrische Zeichnung von Kartennetzen, die 
in der Praxis nie angewandt wird. Sie lehren, daß die sogenannten perspektivischen Ent* 
würfe entstehen, indem man von einem Punkte der Erdachse oder ihrer Verlängerung 
aus die Erdoberfläche auf eine Zeichenebene abbildet, die die Erdkugel in einem Punkte 
berührt. Diese für Himmelskarten richtige Zeichnung trifft für Erdkarten nicht zu. Der 
Schüler wundert sich nachher, daß London in der Karte rechts (östlich) von Moskau 
liegen wird. Als erste praktische Übung in der ebenen Dreieckslehre wird aber mit dem 
Schüler das Gelände aufgenommen, also wird das Gelände von einem Standpunkt auf 
der Erde auf die von der Erde abgewendete Seite des Zeichenblattes abgebildet. Dem 
Schüler ist daher diese Anschauung geläufig; der Vermessungstechniker mißt täglich 
Seiten und Winkel auf der Erde. In der Kartographie soll er aber seinen Standpunkt 
ins Innere der Erde verlegen 1 )- Hat der Lehrer endlich nach vielen Stunden die perspek« 
tivischen Netze behandelt, geht er zu den Kegelprojektionen über. Warum diese Netze 
den perspektivischen überlegen sein können, erfährt der Schüler erst spät oder überhaupt 
nicht. Der Kegel wird in einer Mantellinie aufgeschnitten und in die Ebene abgerollt. 
Die Karte wird also links und rechts von demselben Großkreis (meist Meridian) begrenzt. 
In Wirklichkeit setzt sich die Karte unendlich weit fort. Jeder Punkt der Kugel wird 
zwei*, dreimal oder unendlich oft abgebildet, was bei dem Schüler Verwunderung erregen 
muß. Der Hilfskegel oder -Zylinder ist daher ein wenig geeigneter Notbehelf und sollte 
ganz weggelassen werden. 
Der Unterricht beschäftigt sich in der Hauptsache mit Erdkarten, obgleich der 
Schüler selten in die Lage kommen wird, eine Erdkarte zu zeichnen. Er zeichnet viel* 
mehr Karten begrenzter Gebiete der Erde. Ist der Mittelpunkt (Hauptpunkt) der Karte 
nicht der Erdpol, so geben die Lehrbücher Anweisungen, wie die geographischen Koordi« 
naten in azimutale umgewandelt werden. Will der Schüler nach diesen Anweisungen 
eine Karte von Deutschland in großem Maßstab zeichnen, so wird er bald merken, daß 
er dazu sechs« und siebenstellige Logarithmen verwenden muß. Der Gebrauch solcher 
großen Tafeln ist ihm unbekannt und unbequem, da er in der Schule nur fünfstellige 
Tafeln kennengelernt hat. Die Hilfstafeln von Hammer werden über diese Schwierigkeit 
kaum hinweghelfen; sie müßten mehr ausgebaut werden. In der Wirklichkeit kann man 
mit vierstelligen Tafeln auskommen, was die Lehrbücher verschweigen. Soll eine 
Merkatorkarte (Seekarte) mit längentreuem Breitenparallel, z. B. <p 0 = 50°, in großem Maß« 
stab gezeichnet werden, so lehren die Lehrbücher, daß man dazu die log nat tang 
*) O. Eggert, Die stereographische Abbildung des Erdellipsoids, Zeitschr. f. Vermessungswesen 1936, 
S. 160: „Die Anwendung der perspektivischen Projektion auf das Erdellipsoid wird wohl kaum zu einer 
geeigneten Lösung führen.“ (Zusatz während des Drucks.)
	        
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