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Full text: 55, 1936

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 55. Bd., Nr. 1 
(45° T (pl 2 ) selbst berechnen muß, obgleich man in der Praxis diese Logarithmen übers 
haupt nicht verwendet, sondern mit einer vier* oder fünfstelligen Logarithmentafel ohne 
jede andere Hilfstafel sicherer in ganz kurzer Zeit die Breitenskala berechnet. Man be* 
denke, daß die Merkatorkarte Anlaß gab zur Berechnung der log nat tang, bevor die 
Logarithmen erfunden wurden. Sie wurden am Anfang des 17. Jahrhunderts berechnet 
nach der mechanischen Quadratur, die erst Gauß wissenschaftlich ausgebaut hat. Diese 
Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, daß der Unterricht in Kartographie als mathe* 
matischer Unterricht aufgezogen ist und auf die Bedürfnisse der Praxis nicht genügend 
Rücksicht nimmt. Dieser Mißstand tritt noch deutlicher bei der Behandlung der winkel* 
treuen Netze in Erscheinung. 
Winkeltreue ist ein Begriff, der nicht erklärt zu werden braucht, da das Wort 
selbst sagt: Die Kartenwinkel sind treu den Kugelwinkeln. Auf die Winkeltreue legen 
aber die Lehrbücher offenbar keinen Wert, denn sie beschäftigen sich gleich mit der 
Konformität, d. i. Ähnlichkeit in den kleinsten Teilen, die erst eine Folge der Winkel* 
treue ist. Sie verwenden also von Anfang an Begriffe der Differentialrechnung, die dem 
Schüler unbekannt sind. Sie behaupten, daß sich die Winkeltreue nicht elementar be* 
weisen lasse, und verzichten daher überhaupt auf einen Beweis oder verweisen wie 
Zöppritz-Bludau auf ein Werk von Meyer aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts, das sich 
der Schüler kaum zu beschaffen vermag. Sie verstoßen daher gegen den Grundsatz der 
Pädagogik, den Schüler nur zu lehren, was er verstehen kann. Nach der Verzerrungs* 
lehre von Tissot wird ein unendlich kleiner Kreis der Kugel in der winkeltreuen Karte 
wieder als Kreis abgebildet. Diese Erklärung ist für den Schüler zu schwer, selbst wenn 
er die Elemente der Differentialrechnung schon kennt. Er sieht, daß in der stereogras 
phischen Karte jeder Kugelkreis als Kreis erscheint. In der Merkatorkarte, wird ihm 
gesagt, ist der Äquator längentreu abgebildet, der Meridian aber vergrößert; jeder Kugel* 
kreis wird zu einem Oval in der Karte. Ein Oval hat zwei verschieden große Durch* 
messer. Wird das Oval auch noch so klein, so schließt der Schüler, muß es zwei ungleiche 
Achsen behalten, mithin ist die Karte nicht winkeltreu. Der Schüler kann zwar begreifen, 
daß die Winkeltreue erhalten bleibt, aber nicht, daß der sphärische Exzeß im Karten* 
dreieck verschwinden soll. Der Exzeß ist ein Maß für die Fläche des Kugeldreiecks, 
das Bilddreieck müßte daher flächenlos sein. Auch die Erklärung von Gauß: „Die Ver* 
Zerrungen hängen nur von den Koordinaten des Ortes, nicht von der Richtung ab“ ist 
für den Anfänger in dieser Form schwer verständlich. Daß die Verzerrung in der See* 
karte nur vom Breitenunterschied, nicht von der Richtung, abhängt, wußte schon Gerhard 
Kremer, der darauf in der Legende zu seiner Karte die strenge Methode zum Ausmessen 
der Loxodrome aufbaute (Fig. 29, S. 22). Jeder Steuermann an Bord kennt diese Tatsache. 
Der Schüler muß daher schließen, daß die Koordinaten zweier Örter dieselben sind, also 
die Differentialrechnung anwenden, die er nicht kennt. 
Hans Maurer ist m. W. der erste, der die Winkeltreue der Azimut*Meßkarte, nicht 
ihre Konformität nachweist (Ann. d. Hydr. 1905). Zum Beweise bediente er sich noch 
der Differentialrechnung. Der Beweis war allerdings überflüssig, denn die Karte war 
ihrer Anlage nach winkeltreu, weil sich alle Azimutgleichen unter den Kugelwinkeln 
schnitten und daher Meridiane und Breitenparallele einander rechtwinklig durchsetzten. 
Nach 30 Jahren ist es natürlich leicht, dies Urteil zu fällen; 1905 kannte man aber noch 
keine Azimutgleichen. Aus der Arbeit geht aber hervor, daß die Winkeltreue leichter zu 
beweisen ist als die Konformität. 
Nachdem ich auf mehreren Karten die Winkeltreue nachgewiesen hatte, fand ich, 
daß dieser Nachweis leichter, schneller und eleganter mit den Hilfsmitteln der Elementar* 
Mathematik als mit höherer Mathematik zu erbringen ist. Schon Jak. Bernoulli weist 
1692 auf die große Umformungsfähigkeit der logarithmischen Spirale hin (des Bildes der
	        
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