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Walter Hansen: Die Strömungen im Barents-Meer im Sommer 1927 auf Grund der Dichteverteilung.
I. Die Wasserbewegungen im Barents-Meer
in ihrer Bedingtheit durch die Dichteverteilung.
Auf der Barents-Meer-Fahrt des „Poseidon“ wurden im Sommer 1927 vier typische Wasserarten fest
gestellt. Es sind dieses 1. das von Westen eindringende atlantische Wasser mit hohem Salzgehalt und hoher
Temperatur, 2. das Schmelzwasser auf der Spit}bergen-Bank, das kalt und salzarm ist, 3. das Ostwasser,
das auf der Mittelschwelle festgestellt wurde, mit mittleren Salzgehalten und tiefen Temperaturen und
4. das Küstenwasser längs der europäischen Küste, das warm, aber salzarm ist. Durch diese genannten
Wasserarten ist im großen bei Berücksichtigung der Bodenverhältnisse der Barents-See das zugehörige
Stromsystem festgelegt, wenn die Verhältnisse stationär sind. Unter Benutzung der Beobachtungen aus
dem Jahre 1926 werden wir unten feststellen, daß in den wesentlichen Zügen in beiden Jahren die Ver
teilung der hydrographischen Elemente übereinstimmt. Da 1926 wie 1927 die Beobachtungen ungefähr in
derselben Jahreszeit durchgeführt worden sind, kann man aus der Übereinstimmung nur schließen, daß in
jedem Jahre in diesen Monaten ähnliche Verhältnisse zu erwarten sind. Dagegen wird der hydrographische
Aufbau des Barents-Meeres zweifellos jahreszeitliche Schwankungen aufweisen, worauf schon die veränder
liche Lage der Eisgrenze hindeutet.
1. Kapitel.
Theoretische Grundlagen für die Berechnung der Geschwindigkeit des Wassers.
§ 1. Allgemeine Bemerkungen zur Bestimmung der Geschwindigkeit des Wassers im Meere.
Die Geschwindigkeit eines festen Körpers ist bekanntlich definiert als Vektor, dessen Richtung zu
sammenfällt mit der Richtung, die der Körper bei gleichförmiger Bewegung einschlägt, und dessen Länge
den in der Zeiteinheit zurückgelegten Weg angibt. Sctjt man für Körper Wasserteilchen, so hat man jetjt
auch eine Definition für die Geschwindigkeit des W assers, dabei ist aber zu beachten, daß die Bewegung
im Meere ungeordnet ist, derart daß Wasser teil chen, die eben noch vereinigt waren, im nächsten Augen
blick schon voneinander getrennt sein können. Man erkennt hieraus, daß die Schwierigkeit darin liegt,
die Größenordnung der Wassermengen so zu wählen, daß man sie während der Untersuchung als einheit
liche Körper betrachten kann, auf den sich die eben gegebene Definition der Geschwindigkeit anwenden
läßt. Man würde also die Bewegungen in einem Meere erst dann vollkommen beherrschen, wenn man die
Bewegungen aller hinreichend kleinen Elemente zu allen Zeiten kennen würde. Das wird natürlich nie
mals der Fall sein können. Es gibt grundsäljlidh zwei Wege, auf denen man zur Kenntnis der Strömungs
vorgänge im Meere gelangen kann. Der erste besteht darin, daß man direkte Strommessungen ausführt.
Solche Beobachtungen müssen allerdings zeitlich verhältnismäßig lange ausgedehnt werden, wenn man
einen brauchbaren Mittelwert haben will, zumal wenn es sich um Rand- oder Nebenmeere handelt, in
denen sich eine Gezeitenwirkung bemerkbar machen kann. Der zweite Weg besteht darin, alle stromer
zeugenden und -erhaltenden Kräfte aufzusuchen und aus deren Zusammenwirken den Strom zu be
stimmen. Ein derartiges Verfahren stößt aber auf außerordentliche mathematische Schwierigkeiten, was
auch sofort klar wird, wenn man die große Zahl der wirkenden Kräfte bedenkt, die teils kosmischen,
teils meteorologischen Ursprungs sein können, weiter seien die ablenkende Kraft der Erdrotation und die
Druckkräfte, die durch die Neigung der Meeresoberfläche und durch Dichteunterschiede bedingt sein
können, genannt. Deshalb hat man die Bedeutung dieser Größen für die Ausbildung von Meeresströ
mungen, einzeln und in Gruppen zusammengefaßt, untersucht, so z. B. Wind, ablenkende Kraft der
Erdrotation und Reibung. Um diese Methode anwenden zu können und so gewissermaßen die Strömung
synthetisch zu bestimmen, benötigt man auch ein umfangreiches Beobachtungsmaterial. Von der Poseidon-