Eckardt-Lühe: Höhenwindmessungen — X. Forschungsfahrt der D. Seewarte 27
das Bergmassiv und die Inseln mehr und mehr emporwuchsen, zeigte sich, daß trotzdem keine Einzelheiten zu
erkennen waren; auch mit einem Fernglas war nicht mehr zu sehen. Vielmehr zeigte sich die ganze Insel unterhalb
des Wolkenschirmes wie mit einem bläulichen Dunst überzogen. Das wurde noch auffallender als unser Schiff
näher gekommen war. Vor der Insel befindliche Segler und eine vorgelagerte Felsspitze waren in ihren Einzel
heiten deutlich zu erkennen, dahinter aber, unmittelbar vor der Küste schien ein durchsichtiger Vorhang zu
hängen, hinter dem erst nach und nach Einzelheiten sichtbar wurden. Jene ausgeprägte Dunstschicht in der Höhe
wie sie von Pummerer geschildert wird, war hier nicht vorhanden. Die bei der Annäherung an die Insel aus
geführten Pilotballonaufstiege zeigten nichts Derartiges. Es handelt sich also um die von ihm gleichfalls erwähnte
(a. a. O., S. 74) optische Trübung, hervorgerufen durch starke Sonneneinstrahlung über den vielfach kahlen
Felsmassiven und die hierdurch entstandenen Konvektionsströme. Die Höhenwindmessungen im Bereich der
Kanarischen Inseln zeigten zu jener Zeit in den unteren Schichten südöstliche bis nordöstliche Strömung, darüber
herrschten nördliche bis nordwestliche Winde. Eine Schicht reiner östlicher Winde ist nicht oder kaum vorhanden,
es fehlt also die von Pummerer für den Transport des afrikanischen Wüstenstaubs als notwendig erkannte breite
passatische Ostströmung. Auffallend ist, daß sowohl auf der Ausreise wie auf der Heimreise in den Monaten
Januar und Februar keine Staubfalle beobachtet wurden, wie sie in jenen Gebieten gerade während der Winter
monate öfter aufzutreten pflegen.
Leichtere Sichttrübungen in der Höhe wurden südlich der Kanarischen Inseln vereinzelt festgestellt, jedoch
stets ohne daß sie ein besonders bemerkenswertes Ausmaß erreichten oder gar Staubfall verursachten.
2. Einfluß von Inseln auf Strömungs- und Bewölkungsverhältnisse.
Das Auftreten von Hinderniswolken über ozeanischen Inseln ist eine nunmehr allbekannte Erscheinung,
die schon häufig beschrieben und in ihren Entstehungsursachen untersucht worden ist. Wir hatten bei der Aus
reise Gelegenheit auf der Insel Teneriffa die Erscheinung gleichfalls zu beobachten und die Wolkenschicht, die
abends das ganze Bergmassiv wie einen Ring umgab, zu durchstoßen. Noch bis kurz vor das Inselgebiet herrschte
fast wolkenloses Wetter mit insgesamt nur 3 Zehnteln Cirrusbewölkung, und erst im unmittelbaren Bereich der
Insel Teneriffa traten Fraktostratus-Fetzen auf, die sich zu einer Stratocumulus-Decke zusammenschoben. Im
Hafen selbst wurden 7 Zehntel beobachtet. Gleich nach dem Anlegen des Schiffes, als bereits die Dunkelheit
hereingebrochen war, benutzten wir die Gelegenheit mit einem Auto eine Fahrt nach dem Orte La Laguna zu
unternehmen. Dieser liegt etwa 600 m über dem Meeresspiegel und ist bekannt durch eine Akademie, in deren
Hof wir eine gut eingerichtete meteorologische Station vorfanden Auf der Fahrt durchstießen wir die um den Berg
gelagerte Wolkendecke in etwa 500 m Höhe, die schätzungsweise eine Dicke von 50 bis 70 m haben mochte. Wir
tauchten für kurze Zeit zuerst in Nebelschwaden, dann in dichten Nebel, der sich aber bald wieder über uns
lichtete und dann den Mond durchscheinen ließ. Als das Auto weiter an Höhe gewonnen hatte, befanden wir uns
wieder in wolkenfreiem Raum; über uns war es wolkenlos bei klarem Mondschein. Auch die von fern über dem
Gipfel beobachtete Wolkenkappe schien verschwunden zu sein. Auf der Rückfahrt, die wir nach etwa einer Stunde
antraten, durchfuhren wir wieder die Wolkenschicht. Von unten aus gesehen war sie jetzt etwas dünner geworden,
so daß zeitweise das Licht des Mondes hindurchschien. Es herrschte praktisch Windstille oder nur ein leiser Zug
von etwa 2 Metersekunden aus Ost bis Nordost. Da wir bereits um Mitternacht die Insel wieder verließen, konnte
die Weiterentwicklung der Bewölkung, die vermutlich immer mehr abnahm, nicht verfolgt werden. Am anderen
Morgen im Hafen von La Luz auf dem benachbarten Gran Canaria war es wolkenlos. Als wir gegen 10 Uhr die
Fahrt fortsetzten, begannen sich über den Berglehnen die ersten Cumuloswolken zu bilden.
Etwas eingehender konnte die Wolkenbildung über Gran Canaria auf der Rückreise studiert werden, wo wir
noch bei Tageslicht den Hafen ansteuerten. Die beigefügte Skizze (Tafel 7) soll ein Bild der beobachteten Be-
wölkungs- und Windverhältnisse geben, wie sie am Nachmittag des 10. Februar herrschten. Vergleiche hierzu
auch die Angaben im Beobachtungstagebuch. Der Mittagspilot, der etwa in einer Entfernung von 50 km südlich
der Insel Gran Canaria ausgeführt wurde, zeigte bis 1000 m östliche Strömung, die in 1500 m über N bis NW
drehte und in 2500 m in kräftigen Westwind überging. Interessant ist die zunehmende Ablenkung des Boden
windes mit der Annäherung an die Insel. Der mäßige Ostnordostwind erfahrt an der Ostseite der Insel einen Stau
und damit eine starke Abschwächung auf 2 Metersekunden, verbunden mit einer völligen Ablenkung nach Nord.
Die Strömung verläuft hier parallel der Küste. Im Südosten streicht die abgelenkte Luft mit größerer Beschleunigung
um den Inselrand herum, Die Beobachtung um 17.20 Uhr ergab eine Geschwindigkeit von 11 Metersekunden.