Erwin Dinies: Luftkörper - Klimatologie.
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oder der nächste größere Sturm sprengt diese Eisdecke wieder in einzelne Schollen, die durch Windtrift
oder Meeresströmung verfrachtet und in Landnähe aufgestaut werden. Es tritt dann wieder ein direkter
Wärmeaustausch zwischen Wasser und Luft ein, was sich in dem erwähnten Temperaturanstieg kundgibt.
Erst die aufgestauten und wieder zusammengefrorenen Eismassen bieten der nächsten Sturmflut genügen
den Halt. Die höchste Temperatur (17,3°) liegt ein Monat nach dem Sonnenhöchststand, im Juli. Diesen
jährlichen Temperaturgang im Polargebiet liegender Stationen hat J. v. Hann als „polaren Temperaturgang“
bezeichnet (9). Der Einfluß des Meeres zeigt sich bei uns zweifach: Der aufsteigende Ast der Temperatur
kurve steigt rasch zum Höhepunkt im Juli an. In den Nachsommermonaten ist der Temperaturabfall
bedeutend langsamer. Erst vom Oktober ab fällt die Kurve stärker. Dann sinkt die Mitteltemperatur
auch im kältesten Monat nicht unter 0 Grad (Februar 0,8 Grad). Während in gleicher Breite in Asien
Temperaturen von —40 bis —50 Grad erhalten bleiben, erwärmt sich die Luft, die ehemals in Grönland
oder über dem Packeis bei Spitjbergen lag, auf dem Meere innerhalb acht Tagen um 20 bis 30 Grad. Man
kann daraus am ehesten ermessen, welch gewaltigen Wärmespeicher der Golfstrom bildet. Von Dezember
bis Januar liegt sogar das Monatsmittel der Temperatur über dem Kollektivmittel. Der Einbruch von PM
ist daher in diesen Monaten am Boden gewöhnlich mit leichter Erwärmung („maskierter Kälteeinbruch“)
verbunden. Die Instabilität besteht im Winter nur auf dem Meere, da das Festland im allgemeinen kälter
ist. Damit fällt auch die Konvektionswolkenbildung auf dem Festland weg. Bei überwiegender Aus
strahlung wird der PM-Luftkörper wieder rasch stabil.
Die größte positive Abweichung vom Kollektivmittel ist im Januar (+0,8 Grad), die größte negative
bereits im Mai (—4,6 Grad). Der Grund liegt wohl darin, daß im Frühjahr die meiste Sonnenstrahlung
dazu verwandt wird, um die Eismassen im Polargebiet zu schmelzen, während in südlicheren Breiten
die Erwärmung schon dem Festland zugute kommt.
Die tägliche Temperaturschwankung ist etwas geringer als bei dem Gesamtmittel, was bei
einem maritimen Luftkörper erklärlich ist. Der höchste Wert liegt im Mai (9,4 Grad), wo die Ein
strahlung bereits ziemlich kräftig, aber auch die Ausstrahlung infolge der Trockenheit der Luft noch
stark ist.
Gewöhnlich verläuft die Dampfdruck kurve der Temperaturkurve parallel. Bei PM findet jedoch
eine Verschiebung des Maximums nach dem August zu statt. Sie scheint ebenso wie die Temperatur
anomalie im Januar reell zu sein, da sie auch bei P vorhanden ist. Diese Verschiebung hängt vermutlich
mit der allmählichen Wärmezunahme der polaren Meere zusammen. Noch in hohen Breiten erlangt die
Luft eine große Temperatursteigerung, was die Aufnahmefähigkeit für Wasserdampf auf dem Wege
fördert. Die hohe Juli-Temperatur wäre dann hauptsächlich erst in unseren Breiten durch Einstrahlung
erzeugt. Auch der Verlauf der Relativen Feuchtigkeit spricht für diese Tatsache.
Kommt warme ozeanische Luft auf das kalte Festland, so kühlt sie sich ab, die Feuchtigkeit konden
siert zu Nebel und Wolken. Da, wie wir gesehen haben, PM im Winter wärmer ist als der Kontinent,
finden sich die meisten trüben Tage im Winter (Tabelle 1). Der Frühling hat die geringste Anzahl trüber
Tage. Die Bildung von Schauerwolken im Sommer verursacht hier ein zweites Bewölkungsmaximum.
Einen umgekehrten Verlauf nimmt die Kurve der heiteren Tage. Der Höchstwert liegt im Frühjahr, er
beträgt jedoch nur 13 %.
2. Das Klima bei polar-kontinentaler Luft (Tabelle 2).
Die polar-kontinentalen Luftkörper lassen sich bis in das nördliche Rußland zurück verfolgen.
Ihre Heimat ist wahrscheinlich das nördliche Eismeer. Es sind die russischen Kältewellen, die schon
v. Ficker, v. Exner und W agemann näher untersucht haben.
PC-Luft ist verhältnismäßig selten. Die größte Häufigkeit wurde im März erreicht. Die Erkaltung
der nördlichen Polarkalotte während der langen Polarnacht führt zu einer mächtigen Ansammlung von
Kaltluft, die sich im Winter bei dem tiefen Druck auf dem Ozean oft süd- und westwärts ausbreitet,