Dr. Heinrich Lösche: Lassen sich die diluvialen Breitenkreise usw. rekonstruieren?
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einseitig wie die nordwestsüdöstlichen Täler. Es besteht auch hier eine Abnahme der Ungleichseitigkeit
von den Tälern der bevorzugten Richtung über die südnördlichen nach den südwestnordöstlichen Tälern.
Ferner ändert sich die Talungleichseitigkeit im Quellgebiet eines jeden Tales. Unabhängig von der
Richtung, in der ein Tal liegt, wird sein Querprofil nach dem Talschlusse zu immer gleichseitiger. Aller
dings, in den bevorzugten Richtungen scheint dieses gleichseitige Talstück etwas kürzer entwickelt zu
sein als in den Tälern der übrigen Richtungen. Ein auffallender Unterschied in der Talungleichseitigkeit
ist außerdem noch zu erkennen, wenn man im Erzgebirgsbecken die nördlichsten Täler mit den süd
lichsten vergleicht. Mit der Abnahme der Höhenabstände von den Talsohlen bis zu den Wasserscheiden
scheinen auch die Querprofile der Täler in allen Richtungen gleichseitiger zu werden.
Es erhebt sich jetzt die Frage: „Wie ist diese Ungleichseitigkeit des Talprofils,
die in fester Beziehung zu der ungleichseitigen Entwicklung des Flußnetzes
und offenbar auch in Beziehung zu der Höhe der Wasserscheiden steht, zu
erklären?“
V. Das Problem in der Literatur.
Die Talungleichseitigkeit ist schon oft beobachtet und beschrieben worden. In vielen Teilen Europas
ist sie zu finden, z. B. in Rußland (10 u. 87), Podolien (38, 40, 41, 61, 110, 111, 112), in Ungarn südlich
des Plattensees (77), ferner in Steiermark (40, 42, 193;, Sachsen (8, 88, 89 u. 124), im Alpenvorland (85,86),
in Unterfranken (59), Schwaben (44, 48) und im Pyrenäenvorlande (18 u. 83a). Da die ungleichseitigen
Täler fast alle ähnlich orientiert sind, d. h. die nach Süden und Westen schauenden Hänge stets steiler
als die gegenüberliegenden sind, scheinen sie auch nur durch regional wirkende Kräfte erklärt werden
zu können. Auf diese Überlegung stützen die meisten Autoren das Recht, ihre Erklärung auf alle
Gebiete mit gleichen Talverhältnissen zu übertragen. Wer über Talungleichseitigkeit in einem bestimmten
Gebiet arbeiten will, hat sich deshalb zuerst mit allen bestehenden Ansichten auseinanderzusetzen.
a) Das Baersche Gesetz.
Sehr oft ist in der Literatur das Baersche Gesetz von der Ablenkung des fließenden Wassers nach
rechts auf der nördlichen und nach links auf der südlichen Halbkugel behandelt worden. Baer (3) hat
selbst zugegeben, daß das Gesetz nur auf große Flüsse anwendbar ist. In Europa wurde aber die
Asymmetrie fast ausschließlich an Tälern kleiner Flüsse (im Erzgebirgsbecken kann man sie nur als
Bäche bezeichnen) beobachtet. Da nun noch dazu die steilen Hänge bald auf der rechten, bald auf der
linken Seite zu finden sind, scheidet das Baersche Gesetz bei der Erklärung erst recht aus. Es muß
trotzdem erwähnt werden, weil O. Reis (85, 86) für das Alpenvorland und nach ihm J. Schnitze (99)
für das fränkische Saalegebiet dieses Gesetz anwenden.
Im Diluvium der Umgebung von München fand Reis, daß bis in die kleinsten Talverzweigungen
nordsüdlicher oder südnördlicher Tälchen hinauf die nach Westen gerichteten Seiten der Talprofile
steiler sind. In diesen Seitentälchen besteht ein starkes Gefälle. Bei reicheren Niederschlägen hat, so
meint er, das von oben in stärkerem Gefälle niederschießende Wasser eine Fallablenkung nach Osten
erfahren. Das nach Westen schauende Gehänge ist dadurch unterspült und abgesteilt worden.
Reis hat sich undeutlich ausgedrückt. Höchstwahrscheinlich ist, wie J. Schultze auch annimmt,
die Fallablenkung nach Osten identisch mit dem Baerschen Gesetz. Eine Ablenkung nach Osten, ganz
gleich, ob die Bewegung des Wassers von Süden nach Norden oder von Norden nach Süden geht, ist
nicht bekannt. Für die steilen, nach Westen ausliegenden Hänge der Richtung N—S müßte er eine
zweite Erklärung suchen, so wie das J. Schultze auch tut.
L. Henkel (36, 37) gibt uns in seinem Aufsatz „Das Baersche Gesetz dennoch richtig“ die Möglich
keit zu beweisen, daß für Flüsse mit starkem Gefälle das Baersche Gesetz nicht in Frage kommt. Das