Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1902 No. 1 —
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V. Experimentelle Prüfung der Theorie.
Um clie im Vorhergehenden dargelegte Theorie zu prüfen, wurde ein dem Observatorium gehörender
Normalkompass, dessen kardanische Aufhängung auf ein Holzstativ drehbar aufgesetzt werden konnte, so
eingerichtet, dass derselbe als Deviationsmodell dienen konnte. Dazu war nichts weiter nöthig, als an dem
Bügel der kardanischen Aufhängung jederseits ein kurzes Rohrstück, in welches ein weicher Eisenstab in
Höhe der Kompassrose eingesteckt und befestigt werden konnte und einen um ca. 40° nach jeder Seite
drehbaren Bügel mit horizontaler Rinne zur Aufnahme eines Stahlmagnets anzubringen. Ausserdem wurden
eine Anzahl von Klammern angefertigt, die über die Nadeln (Lamellen) der Kompassrose gestreift und
deren verbreiterter Fuss unter den Ring eingeschoben werden konnte, an dem die Magnetnadeln der zum
Kompass gehörigen Rose befestigt sind, um mit ihrer Hülfe leicht Kompassrosen von verschiedener Zusammen
setzung herstellen zu können. Zur Herstellung einer Vital’schen Rose war es endlich nöthig, zwei Nadeln
von bestimmter Länge anfertigen zu lassen, weil die Nadeln der vorhandenen beiden Rosen dafür nicht
passten.
Der Bügel der kardanischen Aufhängung wurde auf den Zapfen des Holzstativs, welcher mit Hülfe
einer Dosenlibelle so gut wie möglich vertikal gemacht wurde, aufgesetzt, sodass der Kompass mit den ab
lenkenden Eisen- und Stahlstäben um diese Vertikal-Axe wie an Bord eines Schiffes gedreht werden konnte,
wobei ein bestimmter Steuerstrich die Mittschiffslinie repräsentirte. Als Peilobjekt diente der Dachreiter
der katholischen Garnisonkirche, welcher ungefähr 1 Kilometer von dem Beobachtungsorte entfernt ist.
Zur Herstellung der Deviation dienten 1) ein kleiner Stahlmagnet von 8.0 cm Länge, 0.8 cm Breite und
0.45 cm Dicke, welcher in einer Entfernung von 26.5 cm von der Mitte der Rose bis zur Mitte des Stabes,
mit, dem Nordende der Rose zugewendet, in der oben erwähnten Rinne befestigt wurde, und 2) zwei zylin
drische weiche Eisenstäbe von 20.9 cm Länge und 2.0 cm Durchmesser, deren Mitten jederseits in einem
Abstande von 31.0 cm von der Mitte der Rose sich befanden und die in den Röhrenstücken festgeklemmt
wurden. Der Ablenkungsmagnet wurde so befestigt, dass seine Axe bei Kurs N und 8 annähernd senkrecht
zum magnetischen Meridian lag, während gleichzeitig die Axen der weichen Eisenstäbe Nord-Süd zeigten.
Diese Verhältnisse wurden bei jeder Beobachtung thunlichst genau wieder hergestellt.
Die Rosen, mit welchen die nachstehend mitgetheilten Beobachtungen angestellt worden sind, deren
Blatt einen Durchmesser von 20 cm hatte, waren folgendermaassen zusammengesetzt:
Rose A: Zwei Nadeln (Lamellen), je 18.5 cm lang und 1.3 cm breit, beiderseits so nahe wie möglich an das
Hütchen herangeschoben: Abstand der Nadeln von einander = 2.25 cm.
Rose B: Normalrose der Kaiserlichen Marine: 4 Nadeln im Winkelabstand (der Enden, nicht der Pole)
von 15° und 45° von der Nord-Süd-Linie. Länge der grossen Nadeln 18.0 cm, der kleineren
12.7 cm, Breite beider 1.3 cm.
Rose C: Zwei Nadeln in 30° Winkelabstand (der Pole) von der Nord-Süd-Linie. Länge der Nadeln 13.5 cm,
Breite 1.3 cm.
Rose D: Vital’sche Rose: 4 Nadeln im Winkelabstand (der Pole) von 7?5 und 52?5 von der Nord-Süd-Linie.
Länge der grossen Nadeln 18.0 cm, der kleineren 11.1 cm, Breite beider 1.3 cm.
Mit diesen Rosen wurden die Beobachtungen in folgender Weise gemacht. Vor Anbringung und nach
Wegnahme des ablenkenden Magnets und der Eisenstäbe wurde die magnetische Peilung des anvisirten Ob
jektes festgestellt, welche von den Kompasspeilungen desselben Objekts bei den verschiedenen Kursen ab
gezogen wurden, um die hervorgebrachte Deviation zu erhalten. Die Kompass-Kurse wurden erhalten durch
Drehung der kardanischen Aufhängung mit den ablenkenden Massen, wobei durch Klopfen an dem Gehänge
dafür gesorgt wurde, dass die Reibung der Rose an der Pinne völlig überwunden wurde. Durch Fest
klemmen des Gehänges an dem vertikalen Zapfen wurde eine zufällige Drehung während der Einstellung
der Peilvorrichtung ausgeschlossen. Da somit mit aller Vorsicht verfahren wurde, dürfen die Beobachtungen
wohl als ausreichend genau angesehen werden. Bei Ablesung der von 20' zu 20' getheilten Rose wurden
5' schätzungsweise abgelesen.
Beobachtungen wurden folgende gemacht: